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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Das Hologramm als Fenster

 

Ein Hologramm ist ein offenes Fenster in einen virtuellen Raum. Die hinter dem Fenster liegende holographische Erscheinung verhält sich im Verhältnis zum Betrachter analog der Erscheinung wirklicher Dinge vor wirklichen Fenstern und mithin vollkommen anders, als zweidimensionale bildliche Darstellungen, wie sie nach dem Renaissancemodell der 'finestra aperta' oder mit fotografischen Mitteln erstellt werden können. Fotografien - auch Stereofotografien - erlauben immer nur den Blick aus einer Richtung (im Falle der Stereofotografie streng genommen aus zwei, üblicherweise um den Augenabstand verschobenen, Richtungen) auf einen Gegenstand. In einem Hologramm ist die Perspektive nicht eingefroren, sondern sie verändert sich mit dem Betrachtungswinkel und dem Betrachtungsabstand. Verhängt man ein Fenster bis auf eine kleine Öffnung, so sieht man die Szene dahinter nur noch aus einem bestimmten, eingeschränkten Blickwinkel. Ebenso liefert ein Teil oder Bruchstück eines Hologramms nur noch eingeschränkte Blickwinkel auf die holographische Szene 1 (Abb. 16).

Mit dem als Beugungsgitter fungierenden Interferenzmuster lassen sich alle Objektpunkte rekonstruieren. Der holographische Film ist gleich einer Ansammlung von Sammel- und Zerstreuungslinsen. Jedem Objektpunkt sind dabei - über die gesamte Platte verteilt - unzählige Linsen mit spezifischem Brennpunkt zugeordnet, da das holographische Aufnahmeverfahren ja ohne Linse funktioniert. Welche Ansicht des Objektpunkts erscheint, ist abhängig von den relativen Positionen von rekonstruierender Lichtquelle, Film und Betrachter zueinander. Verändern sich die relativen Positionen - bewegt sich beispielsweise der Betrachter - erhält er in einem raumzeitlichen Vorgang die visuelle Information über das gesamte holographierte Objekt. Das holographierte Objekt bietet sich nicht - wie tendenziell die flächige perspektivische Darstellung - in einem Überblick dar, sondern erst im prozeßhaften Erfassen aus verschiedenen Positionen zeigt sich die dreidimensionale Gesamtheit der Erscheinung. Insofern ist das holographierte Objekt - analog den wirklichen Dingen - eher erfahrbar als kognitiv lesbar, eher Erscheinung als dechiffrierbares Zeichen.


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1 Die Fensteranalogie verdeutlicht, warum holographische Bilder einander verdecken können. "Die näher am Hologramm befindlichen Objektteile schatten bei der Aufnahme die von den Hintergrundsteilen ausgehenden Gegenstandswellen teilweise ab, so daß gewisse Bereiche des Hologramms von diesen Wellen nicht erreicht werden. In anderen Bereichen, für die der Hintergrund nicht bedeckt ist, wird die Hintergrundswelle jedoch gespeichert, und beim fertigen Hologramm kann dann nur von diesen Bereichen die Kopie der Hintergrundswellen ausgehen. Je nachdem, durch welchen Teil des Hologramms ein Betrachter auf den betreffenden Teil des Hintergrunds schaut, scheint dieser daher für ihn sichtbar oder verdeckt zu sein." (Heiß, 1988, S. 36.)


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