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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Die holographische Erscheinung

 

Das holographische Aufnahmeverfahren erlaubt die exakte Duplizierung der von einem Objekt ausgehenden Gegenstandswelle. "Da aber alle visuellen Informationen über einen Gegenstand durch die Gegenstandswelle übertragen werden, zeigt natürlich auch ein genaues Duplikat der Gegenstandswelle den Gegenstand, wie er wirklich ist. Ein holographisches Bild stellt daher auch keine Sinnestäuschung dar. Das Auge erhält vom Hologramm dieselbe Information wie vom Gegenstand. Um zwischen einem Gegenstand und seinem holographischen Bild wirklich unterscheiden zu können, benötigt man einen vom Auge unabhängigen Sinn, z.B. den Tastsinn."1 Und tatsächlich kann man in Holographieausstellungen häufig beobachten, wie Betrachter versuchen, mit den Händen sich der Position der holographischen Erscheinungen im Raum zu vergewissern - vergeblich, denn mit der Annäherung an die holographische Erscheinung verschwindet sie, da der Betrachter zugleich den möglichen Betrachtungswinkel verläßt.2

Eine holographische Platte ist in keiner Weise einem zweidimensionalen Bildträger vergleichbar. Sie trägt überhaupt kein Bild. Betrachtet man modellhaft das menschliche Auge analog einer Camera obscura, das mit Hilfe eines Linsensystems ein zweidimensionales Bild auf einen Schirm - den Augenhintergrund - entwirft, so kann man die Fotografie als die Imitation dieses Vorgangs auffassen. Im Auge wie auf der Fotoplatte befinden sich gleichsam Rezeptoren, die die Intensität des Lichts aufzeichnen. Mit der Holographie wird nichts imitiert, was im menschlichen Wahrnehmungsapparat eine Entsprechung hätte, sondern die Form des Objekts wird dupliziert. Mit holographischen Verfahren werden nicht Bilder erzeugt, sondern - im Falle der abbildenden oder formgebenden Holographie - dreidimensionale Lichterscheinungen. Holographische Bilder sind keine dreidimensionale Abart zweidimensionaler Bilder, und sie sind als immaterielle Erscheinungen auch nicht im strengen Sinne Skulpturen. Präziser gesprochen handelt es sich um holographische Erscheinungen.3 Die Rezeption holographischer Erscheinungen ist nicht ohne weiteres mit der Rezeption perspektivischer Darstellungen vergleichbar. Sie beruht weniger als die zweidimensionaler Darstellungen auf erlernten Rezeptionsweisen. Weit mehr entspricht sie der Wahrnehmung der alltäglichen Dinge.


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1 Heiß, 1988, S. 34f.

2 Mit dem Kriterium der Notwendigkeit taktiler Bestätigung läßt sich dennoch keine scharfe Trennung zu Sinnestäuschungen vollziehen, denn auch Sinnestäuschungen hören meist nicht auf zu wirken, wenn ihre Machart durchschaut und begriffen ist. Der Unterschied liegt darin, daß Sinnestäuschungen als solche enttarnt werden können, während die holographische Erscheinung sich in solcher Weise gerade nicht entlarven läßt, da ihre visuelle Information ja tatsächlich identisch ist mit der des holographierten Objekts.

3 Im Folgenden meine ich (außer in Fällen, in denen ich die physikalische Terminologie benutze) immer holographische Erscheinungen, auch wenn ich des einfacheren Sprachgebrauchs halber von holographischen Bildern spreche.


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