Die holographische Erscheinung
Das holographische Aufnahmeverfahren erlaubt die exakte Duplizierung
der von einem Objekt ausgehenden Gegenstandswelle. "Da aber
alle visuellen Informationen über einen Gegenstand durch
die Gegenstandswelle übertragen werden, zeigt natürlich
auch ein genaues Duplikat der Gegenstandswelle den Gegenstand,
wie er wirklich ist. Ein holographisches Bild stellt daher auch
keine Sinnestäuschung dar. Das Auge erhält vom Hologramm
dieselbe Information wie vom Gegenstand. Um zwischen einem Gegenstand
und seinem holographischen Bild wirklich unterscheiden zu können,
benötigt man einen vom Auge unabhängigen Sinn, z.B.
den Tastsinn."1 Und tatsächlich kann
man in Holographieausstellungen häufig beobachten, wie Betrachter
versuchen, mit den Händen sich der Position der holographischen
Erscheinungen im Raum zu vergewissern - vergeblich, denn mit
der Annäherung an die holographische Erscheinung verschwindet
sie, da der Betrachter zugleich den möglichen Betrachtungswinkel
verläßt.2
Eine holographische Platte ist in keiner Weise einem zweidimensionalen
Bildträger vergleichbar. Sie trägt überhaupt kein
Bild. Betrachtet man modellhaft das menschliche Auge analog einer
Camera obscura, das mit Hilfe eines Linsensystems ein zweidimensionales
Bild auf einen Schirm - den Augenhintergrund - entwirft, so kann
man die Fotografie als die Imitation dieses Vorgangs auffassen.
Im Auge wie auf der Fotoplatte befinden sich gleichsam Rezeptoren,
die die Intensität des Lichts aufzeichnen. Mit der Holographie
wird nichts imitiert, was im menschlichen Wahrnehmungsapparat
eine Entsprechung hätte, sondern die Form des Objekts wird
dupliziert. Mit holographischen Verfahren werden nicht Bilder
erzeugt, sondern - im Falle der abbildenden oder formgebenden
Holographie - dreidimensionale Lichterscheinungen. Holographische
Bilder sind keine dreidimensionale Abart zweidimensionaler Bilder,
und sie sind als immaterielle Erscheinungen auch nicht im strengen
Sinne Skulpturen. Präziser gesprochen handelt es sich um
holographische Erscheinungen.3 Die Rezeption
holographischer Erscheinungen ist nicht ohne weiteres mit der
Rezeption perspektivischer Darstellungen vergleichbar. Sie beruht
weniger als die zweidimensionaler Darstellungen auf erlernten
Rezeptionsweisen. Weit mehr entspricht sie der Wahrnehmung der
alltäglichen Dinge.