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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Das holographische Aufzeichnungsverfahren

 

Die praktische Entwicklung des holographischen Aufzeichnungsverfahrens - theoretisch formuliert wurde es bereits 1948 von Dennis Gábor1 - war erst möglich, nachdem 1960 eine kohärente Lichtquelle entwickelt wurde - der Laser.2 Um Objekte holographieren zu können, muß die Kohärenzlänge der Lichtquelle mindestens so lang sein wie das Objekt. Da Gábor keine Lichtquellen mit nennenswerter Kohärenzlänge zur Verfügung standen, konnte er nur mikroskopisch dünne Objekte holographieren. Laser können theoretisch Kohärenzlängen von mehreren Kilometern haben, und ihre Strahlung verhält sich so, als ob sie von einem Punkt ausgehen würde.

Die Aufnahme eines Hologramms ist eigentlich nichts anderes als eine kompliziertere Version des Fresnelschen Interferenzexperiments. Es gibt verschiedene Methoden, ein holographisches Interferenzmuster aufzuzeichnen. Allen gemeinsam ist, daß ein Laserstrahl in zwei Strahlenbündel aufgeteilt wird. Ein Teilstrahlenbündel, der Referenzstrahl, trifft direkt auf eine Fotoplatte, das andere Teilbündel, der Objektstrahl, beleuchtet den aufzuzeichnenden Gegenstand, wird von diesem als Objektwelle reflektiert und fällt dann gleichfalls auf die Fotoplatte (Abb. 8). Die Referenzwelle hat eine gleichmäßige Struktur, die Objektwelle ist - entsprechend der Oberfläche des Gegenstands - mehr oder weniger verbogen.

Das Interferenzmuster, das bei der Überlagerung von Referenzwelle und Objektwelle entsteht, ist komplex: Jeder Objektpunkt interferiert an jeder Stelle des Films mit der Referenzwelle. Ein solches Muster kann nicht schematisch visualisiert werden.3 Aber man kann sich einen Gegenstand als aus einzelnen Punkten zusammengesetzt denken: Das einfachste Hologramm ist das Hologramm eines einzelnen Punktes. Trifft die Objektwelle den gedachten Punkt, geht von diesem eine Kugelwelle aus - der Punkt verteilt sich als Welle auf der gesamten Fotoplatte. Die Kugelwellenfronten treffen auf dem Film mit den als eben angenommenen Wellenfronten der Referenzwelle zusammen (Abb. 9). Nimmt man einen Zeitpunkt an, zu dem ein Wellenberg der Referenzwelle auf die Fotoplatte trifft, wird dieser Berg von Wellenbergen und -tälern der Kugelwelle abwechselnd überlagert, wobei die Breite der Überlagerung vom Auftreffwinkel der Objektwelle abhängt. Je steiler die Objektwelle auftrifft, um so schmaler sind die entstehenden Streifen. Die breiteste konstruktive Interferenz tritt also in der Mitte auf. Um diesen hellen Punkt breiten sich konzentrische Ringe mit abnehmender Breite aus, denn für alle Punkte, die gleich weit vom Zentrum liegen, haben die einfallenden Wellen die gleiche Phase. Überall dort, wo die Wellen konstruktiv interferiert haben, wird die lichtempfindliche Schicht der Fotoplatte geschwärzt. Wo destruktive Interferenz auftrat, haben sich die Wellen gegenseitig ausgelöscht; und der Film bleibt durchsichtig. Im Ergebnis erhält man etwas, das einer Schießscheibe ähnelt - eine Fresnelsche Zonenplatte (Abb. 10).

Man kann sich nun leicht vorstellen, daß sich die Erscheinung der Fresnelschen Zonenplatte abhängig von der Entfernung des angenommenen Punkts von der Fotoplatte verändert, denn die auftreffenden Kugelwellenfronten sind kleiner, wenn der Punkt näher an der Platte liegt, und größer, wenn er weiter entfernt ist. Damit verändern sich auch die Auftreffwinkel der Wellenberge und -täler. Das Interferenzmuster speichert die Information über die räumliche Ausgangslage des Punktes, und der Punkt kann mit Hilfe des auf dem holographischen Film aufgezeichneten Interferenzmusters rekonstruiert werden. Dazu richtet man erneut den Referenzstrahl - und nur den - auf den entwickelten Film. Die Fresnelsche Zonenplatte verhält sich nun wie eine Linse, und zwar wie eine Sammel- und Zerstreuungslinse zugleich. Ihre Eigenschaften lassen sich mit Hilfe der geometrischen Optik beschreiben (Abb. 13). Die Referenzwelle tritt überall dort, wo der Film durchsichtig ist, durch den Film durch, und dabei wird das Licht gebeugt. Nach dem Huygensschen Prinzip 4 breitet sich hinter jeder Öffnung eine Kugelwelle - eine sogenannte Elementarwelle - aus. Denn wenn eine Lichtwelle auf eine sehr feine Öffnung trifft - und fein heißt, daß die Öffnung nicht wesentlich größer als die Wellenlänge sein darf (bei dem rotem Licht des Helium-Neon-Lasers liegt das in der Größenordnung um 600 nm) - dann tritt durch die Öffnung nicht ein feiner Lichtstrahl, sondern das Licht verteilt sich hinter der Öffnung in alle Richtungen: Die Lichtwellen werden an den feinen Öffnungen gebeugt. Die Kugelwellen haben hinter dem Film, der als Beugungsgitter wirkt, verschieden lange Wege und treffen in verschiedenen Schwingungszuständen aufeinander. Sie interferieren und bilden erneut Wellenfronten aus.

Als eine gerade Wellenfront läuft die Referenzwelle hinter der Platte weiter - die Physiker nennen das Beugung 0. Ordnung. Es gibt aber noch andere Wellenfronten. Eine Wellenfront entsteht, wenn man die Fronten benachbarter Kugelwellen verbindet, die, von der Mitte ausgehend, von Öffnung zu Öffnung jeweils einen Takt früher entstanden sind. Die Einbuchtungen, die durch die Überlagerung der Elementarwellen entstanden sind, kann man mit einer Hilfskonstruktion - der sogenannten Einhüllenden - überbrücken (Abb. 11). Je näher die Öffnungen auf dem Film beieinander liegen, desto steiler wird die neue Wellenfront. Für die Rekonstruktion des Hologramms eines Punktes bedeutet das, daß die Einhüllende einen kreisförmigen Verlauf hat. Nimmt man einen etwas späteren Zeitpunkt an, so haben sich die Radien der Elementarwellen vergrößert, die Einhüllende beschreibt einen kleineren Kreisbogen (Abb. 8: die 2. Einhüllende). Als Ergebnis des zeitlich fortschreitenden Verlaufs der Wellenfronten erhält man eine konvergente Kugelwelle (die Beugung 1. Ordnung). Im Mittelpunkt dieser Kugel liegt der reelle Bildpunkt des ursprünglichen Objektpunktes. Die Fresnelsche Zonenplatte hat sich verhalten wie eine Sammellinse, die ein paralleles Lichtbündel auf einen Punkt konzentriert. Das Bild heißt reell, weil Lichtstrahlen sich wirklich im Bildpunkt konzentrieren. Reelle Bilder können auf einem Schirm (oder einer Fotoplatte) aufgefangen werden.5

Eine weitere Wellenfront bekommt man, wenn man den zeitlichen Verlauf der einzelnen Elementarwellen umkehrt, wenn man also die Radien jener Elementarwellen mit einer Einhüllenden verbindet, die von der Mitte ausgehend von Öffnung zu Öffnung jeweils einen Takt später entstanden sind. Wieder bildet sich eine Kugelwelle aus. Diese zweite Kugelwelle (die Beugung -1. Ordnung) ist divergent, die Strahlen laufen hinter der Platte auseinander. Die Zonenplatte verhält sich jetzt wie eine Zerstreuungslinse (Abb. 12). Der virtuelle Ort, von dem diese Kugelwelle auszugehen scheint, liegt dort, wo bei der Aufnahme des Beugungsgitters die Lichtquelle war. Die Beugung -1. Ordnung rekonstruiert die ursprüngliche Objektwelle, das Duplikat der Objektwelle erzeugt ein virtuelles Bild, das wie bei einem Spiegel hinter der Platte zu liegen scheint.6

Ersetzt man den gedachten Punkt durch ein komplexes Objekt, erhält man entsprechend ein komplexes Doppel der Objektwelle. Ein virtuelles Objekt erscheint an der Stelle des ursprünglichen Objekts. Das zugleich erscheinende reelle Bild ist pseudoskopisch. Das Objekt sieht aus wie umgestülpt, denn Punkte des Objekts, die weiter von der Platte entfernt lagen, liegen jetzt auf der anderen Seite ebenfalls weiter von der Platte entfernt, damit aber näher am Betrachter.


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1 Dennis Gábor (1900 - 1979) veröffentlichte 1948 seine Formulierung des Prinzips der Holographie, das er entwickelt hatte, um mikroskopische Verfahren zu verbessern. Gábor wurde 1971 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

2 'Laser' bezeichnet entgegen dem normalen Sprachgebrauch nicht eigentlich ein Gerät, sondern ein Prinzip der Lichterzeugung. Der Begriff entstand aus den Anfangsbuchstaben der englischen Bezeichnung 'Light Amplification by Stimulated Emission of Radiation' (Lichtverstärkung durch angeregte Strahlungsaussendung).

3 Die Unmöglichkeit der Visualisierung mittels zweidimensionaler Bildgebungsverfahren betrifft, dies als Vorgriff, auch das Endprodukt, die holographische Erscheinung eines Objekts. Zum zweiten, dies als weiterer Vorgriff, enthält aufgrund dieser komplexen Speicherung jeder einzelne Punkt der holographischen Platte unter bestimmten Einschränkungen die Information über das gesamte Objekt. Jeder Splitter eines bestimmten Hologrammtyps fungiert als ein kleines Fenster in einen virtuellen Raum.

4 Huygens hat folgendes Prinzip formuliert: "Jeder Punkt, der von einer Welle getroffen wird, ist Ausgangspunkt einer kugelförmigen Elementarwelle. Mit Hilfe dieser Aussage lassen sich zahlreiche Probleme der Beugung berechnen, indem die Elementarwellen summiert werden." (Eichler/Ackermann, 1993, S. 8.)

5 Sammellinsen konzentrieren Energie, deshalb kann man mit Hilfe solcher Linsen und Sonnenlicht Feuer entzünden.

6 Man kann die Zonenplatte auch beschreiben als Konvex- und Konkavspiegel zugleich. Der nach außen gewölbte Spiegel streut das Licht wie eine Zerstreuungslinse, das in ihm entworfene Bild ist virtuell und liegt hinter der Spiegelfläche. Der nach innen gewölbte Konkavspiegel dagegen sammelt das Licht wie eine Sammellinse, das von ihm entworfene Bild ist reell, liegt vor der Spiegelfläche und kann auf einem Schirm aufgefangen werden. Die Lagen der virtuellen und reellen Bilder lassen sich mit Hilfe der geometrischen Optik berechnen, das gilt natürlich auch für die holographischen Bilder.


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