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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Stanislav Grof: Psychologie und holographisches Universum

 

Die Erfahrung der dualen Einheit mit einer anderen Person ist erlebnismäßig zugänglich, und man kann solche Erlebnisse aus psychologischer Sicht und im Zusammenhang mit gewöhnlicher Alltagserfahrung beschreiben. Die Erfahrungsebene, die Bohm in der eingefalteten Ordnung ansiedelte, hat der Psychiater und Psychotherapeut Stanislav Grof 1 - gleichfalls im Zusammenhang mit einem holonomisch begriffenen Universum - auf der psychologischen Ebene untersucht, und zwar auf der Basis von Experimenten unter Gebrauch von LSD.

Innerhalb der allgemeinen Begriffskrise in den 80er Jahren wurde auch vielen Psychologen und Psychiatern deutlich, daß zwischen auf traditionellen Paradigmata beruhenden Ansätzen und den großen geistigen Traditionen eine Lücke klafft. An der westlichen Naturwissenschaft orientierte Ansätze zum Verständnis von Religionen wie dem Taoismus oder dem Zen-Buddhismus sind oberflächlich und unbefriedigend geblieben. Unvoreingenommene Anthropologen waren "sich der Mängel der okzidentalen Erklärungsansätze für solche Probleme bewußt, wie Schamanenerlebnisse und -praktiken, Trancezustände, spirituelle Heilverfahren, Riten von Eingeborenen oder die Entwicklung paranormaler Fähigkeiten bei bestimmten Individuen und ganzen sozialen Gruppen."3 Doch auch im okzidentalen Kulturbereich wird es immer schwieriger, Daten aus modernen parapsychologischen Untersuchungen nur deshalb zu ignorieren, weil sie sich mit den herkömmlichen Paradigmata nicht vereinbaren lassen. Dagegen scheinen solche Phänomene einen Großteil der Erkenntnis der Antike zu bestätigen, der Erkenntnis eingeborener Stämme und des Fernen Ostens.

Grof hat sich auf Beobachtungen konzentriert, die im Zusammenhang der von ihm durchgeführten LSD-Therapien zustandegekommen sind.3 Wie schon Baudelaire und andere, die sich mit Drogenerlebnissen genauer befaßt haben, beharrt auch Grof auf dem Wirklichkeitsbezug psychedelischer Erlebnisse:4 "Diese Beobachtungen beschränken sich nicht auf psychedelische Sitzungen; psychedelische Substanzen scheinen lediglich besonders wirksame Katalysatoren oder Verstärker geistiger Prozesse zu sein, und keines der von ihnen induzierten Phänomene läßt sich ausschließlich nach der Einnahme von Drogen beobachten."5 Psychedelische Drogen scheinen bereits bestehende Strukturen zu aktivieren. "Derjenige, dem solche Drogen verabreicht werden, erlebt keine 'chemische Phantasmagorie' oder eine 'toxische Psychose', ohne Bezug zu den normalen Funktionsweisen des Geistes, sondern er unternimmt eine phantastische Reise in das geistig-seelische Innere."6 Wesentliches Kennzeichen psychedelischer Erfahrungen ist, daß Zeit und Raum transzendiert werden. Alltägliche Erscheinungen, die mit unseren Sinnen unmittelbar wahrgenommen werden können, erscheinen auf derselben Erlebnisebene wie solche, deren Beobachtung eine komplizierte Technologie - Mikroskope oder Teleskope - voraussetzt. Unter dem Einfluß von LSD kann sich ein Mensch als Einzeller, als Fötus oder als Galaxie empfinden. Die Zeit kann räumliche Eigenschaften annehmen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft können koexistieren. Es kommt zur "Aufhebung der klaren Unterscheidung zwischen Materie, Energie und Bewußtsein. Innere Visionen können so realistisch sein, daß sie die Erscheinungen der materiellen Welt vollkommen simulieren, und was umgekehrt im alltäglichen Leben als fester und fühlbarer 'Stoff' erscheint, kann sich in Energiestrukturen, einen kosmischen Tanz von Schwingungen oder als Spiel des Bewußtseins auflösen... Diejenigen, die ursprünglich die Materie als Grundlage jeder Existenz und den Geist als etwas daraus Abgeleitetes gesehen haben, können zunächst entdecken, daß das Bewußtsein ein unabhängiges Prinzip ist im Sinne eines leibseelischen Dualismus, und es schließlich als einzige Realität akzeptieren. In den universalsten und allumfassendsten Geisteszuständen wird die Dichotomie zwischen Existenz und Nichtexistenz transzendiert; Form und Leere scheinen gleichwertig und austauschbar zu sein."7 Es kommt zur Ausschaltung des Unterschiedes zwischen dem Ich und den Elementen der Außenwelt, zwischen dem Teil und dem Ganzen. In solchen Erfahrungen "gibt es nichts, was eine konkrete Form aufweisen würde, und zugleich scheint die gesamte Existenz in einer potentiellen oder Keimform repräsentiert oder gegenwärtig zu sein."8 Viele Versuchspersonen haben den Eindruck wiedergegeben, "daß das Bewußtsein kein Produkt des zentralen Nervensystems und als solches auf Menschen und höhere Wirbeltiere beschränkt ist. Sie sahen darin ein Wesensmerkmal der Existenz, das auf nichts anderes reduziert und von nichts anderem abgeleitet werden kann."9 Viele parapsychologische Phänomene, z.B. Telepathie, Hellsehen oder Erlebnisse der Körperlosigkeit, lassen sich als transpersonale Erlebnisse einstufen, d.h. als Erlebnisse, in denen der Subjekt-Objekt Gegensatz, der utilitaristische Weltwahrnehmung bestimmt, nicht länger grundlegend ist. Die Grenzen des Ich werden durchlässig. Diese Erlebnisse zielen auf eine grundlegende Verbindung mit dem Umgebenden, so wie es Bohms implizite Ordnung nahelegt (und das bedeutet nicht zugleich, daß sich das Subjekt vollständig auflöste, denn es ist noch immer Teil - wenn auch in erweiterter Weise - der expliziten Ordnung). Erkennt man die Existenz transpersonaler Erlebnisse an, verschwindet tendenziell die klare Grenzlinie zwischen Psychologie und Parapsychologie. "Insgesamt können transpersonale Erlebnisse durch eine mechanistische Wissenschaft nicht erklärt werden",10 da sich in ihnen Ereignisse widerspiegeln, die den menschlichen Sinnen unmittelbar nicht zugänglich sind. Grof zog aus transpersonalen Erfahrungen den Schluß, "daß wir alle auf noch ungeklärte Weise über die Informationen über das gesamte Universum oder jede Art von Existenz verfügen, potentiell alle einen erlebnismäßigen Zugang zu seinen Teilen haben und in gewissem Sinne das gesamte kosmische Netzwerk sind".11


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1 Dr. med. Dr. phil Stanislav Grof (geboren 1931 in Prag) studierte Medizin und Medizin-Philosophie, und er durchlief eine psychoanalytische Ausbildung. Seine in Prag begonnene Erforschung außergewöhnlicher Bewußtseinszustände setzte Grof 1967 in den USA fort, wo er heute noch lebt.

2 Grof, 1985, S. 201.

3 Grof hat seit 1954 mehr als 3000 Sitzungen unter Verabreichung von LSD durchgeführt und in mehr als 1800 Sitzungsprotokolle von Kollegen aus der Tschechoslowakei und den USA Einblick genommen. An diesen Sitzungen teilgenommen haben 'normale' Freiwillige, psychiatrische Patienten, Krebskranke, Psychiater, Psychologen, Wissenschaftler, Künstler und Theologen.

4 Vgl. Kap. II.15, Naturerlebnis und Alltagsempfindung.

5 Grof, 1985, S. 202.
Grof und seine Ehefrau haben ein drogenunabhängiges Verfahren entwickelt, mit denen außergewöhnlich, 'holotropische' Bewußtseinszustände erreicht werden können. Sie setzen lediglich kontrollierte Atmung, Musik und Massage ein, um eine Veränderung des Bewußtseinszustandes zu erreichen. Vgl. Grof: Das Abenteuer der Selbstentdeckung. (erwähnt in: Talbot, 1992, S. 82.)

6 Grof, 1985, S. 203.
Grof unterscheidet vier Hauptformen psychedelischer Erfahrungen, wobei nur die letzte auf ein holonomisch begriffenes Universum verweist.
1. Abstrakte ästhetische Erlebnisse, die sich im Rahmen der Physiologie der Sinnesorgane erklären lassen.
2. Psychodynamische Erlebnisse, die mit der Freudschen Theorie erklärt werden können.
3. Perinatale Erfahrungen, diese lassen sich mit den herkömmlichen Theorien nicht mehr vollständig erklären.
4. Transpersonale Erlebnisse, deren hauptsächliches Kennzeichen das Gefühl ist, daß das Ich sich über seine eigenen Grenzen hinaus ausdehnt. Dazu gehört die Aufhebung der Zeitschranken zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und das Gefühl des Einsseins mit anderen Personen, Tieren, Pflanzen oder auch unbelebter Materie.

7 Grof, 1985, S. 209.

8 Grof, 1985, S. 210.

9 Grof, 1985, S. 216.

10 Grof, 1985, S. 216

11 Grof, 1985, S. 216f.


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