Stanislav Grof: Psychologie und holographisches Universum
Die Erfahrung der dualen Einheit mit einer anderen Person
ist erlebnismäßig zugänglich, und man kann solche
Erlebnisse aus psychologischer Sicht und im Zusammenhang mit
gewöhnlicher Alltagserfahrung beschreiben. Die Erfahrungsebene,
die Bohm in der eingefalteten Ordnung ansiedelte, hat der Psychiater
und Psychotherapeut Stanislav Grof 1 - gleichfalls
im Zusammenhang mit einem holonomisch begriffenen Universum -
auf der psychologischen Ebene untersucht, und zwar auf der Basis
von Experimenten unter Gebrauch von LSD.
Innerhalb der allgemeinen Begriffskrise in den 80er Jahren wurde
auch vielen Psychologen und Psychiatern deutlich, daß zwischen
auf traditionellen Paradigmata beruhenden Ansätzen und den
großen geistigen Traditionen eine Lücke klafft. An
der westlichen Naturwissenschaft orientierte Ansätze zum
Verständnis von Religionen wie dem Taoismus oder dem Zen-Buddhismus
sind oberflächlich und unbefriedigend geblieben. Unvoreingenommene
Anthropologen waren "sich der Mängel der okzidentalen
Erklärungsansätze für solche Probleme bewußt,
wie Schamanenerlebnisse und -praktiken, Trancezustände,
spirituelle Heilverfahren, Riten von Eingeborenen oder die Entwicklung
paranormaler Fähigkeiten bei bestimmten Individuen und ganzen
sozialen Gruppen."3 Doch auch im okzidentalen
Kulturbereich wird es immer schwieriger, Daten aus modernen parapsychologischen
Untersuchungen nur deshalb zu ignorieren, weil sie sich mit den
herkömmlichen Paradigmata nicht vereinbaren lassen. Dagegen
scheinen solche Phänomene einen Großteil der Erkenntnis
der Antike zu bestätigen, der Erkenntnis eingeborener Stämme
und des Fernen Ostens.
Grof hat sich auf Beobachtungen konzentriert, die im Zusammenhang
der von ihm durchgeführten LSD-Therapien zustandegekommen
sind.3 Wie schon Baudelaire und andere, die sich mit Drogenerlebnissen
genauer befaßt haben, beharrt auch Grof auf dem Wirklichkeitsbezug
psychedelischer Erlebnisse:4 "Diese Beobachtungen
beschränken sich nicht auf psychedelische Sitzungen; psychedelische
Substanzen scheinen lediglich besonders wirksame Katalysatoren
oder Verstärker geistiger Prozesse zu sein, und keines der
von ihnen induzierten Phänomene läßt sich ausschließlich
nach der Einnahme von Drogen beobachten."5
Psychedelische Drogen scheinen bereits bestehende Strukturen
zu aktivieren. "Derjenige, dem solche Drogen verabreicht
werden, erlebt keine 'chemische Phantasmagorie' oder eine 'toxische
Psychose', ohne Bezug zu den normalen Funktionsweisen des Geistes,
sondern er unternimmt eine phantastische Reise in das geistig-seelische
Innere."6 Wesentliches Kennzeichen psychedelischer
Erfahrungen ist, daß Zeit und Raum transzendiert werden.
Alltägliche Erscheinungen, die mit unseren Sinnen unmittelbar
wahrgenommen werden können, erscheinen auf derselben Erlebnisebene
wie solche, deren Beobachtung eine komplizierte Technologie -
Mikroskope oder Teleskope - voraussetzt. Unter dem Einfluß
von LSD kann sich ein Mensch als Einzeller, als Fötus oder
als Galaxie empfinden. Die Zeit kann räumliche Eigenschaften
annehmen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft können koexistieren.
Es kommt zur "Aufhebung der klaren Unterscheidung zwischen
Materie, Energie und Bewußtsein. Innere Visionen können
so realistisch sein, daß sie die Erscheinungen der materiellen
Welt vollkommen simulieren, und was umgekehrt im alltäglichen
Leben als fester und fühlbarer 'Stoff' erscheint, kann sich
in Energiestrukturen, einen kosmischen Tanz von Schwingungen
oder als Spiel des Bewußtseins auflösen... Diejenigen,
die ursprünglich die Materie als Grundlage jeder Existenz
und den Geist als etwas daraus Abgeleitetes gesehen haben, können
zunächst entdecken, daß das Bewußtsein ein unabhängiges
Prinzip ist im Sinne eines leibseelischen Dualismus, und es schließlich
als einzige Realität akzeptieren. In den universalsten und
allumfassendsten Geisteszuständen wird die Dichotomie zwischen
Existenz und Nichtexistenz transzendiert; Form und Leere scheinen
gleichwertig und austauschbar zu sein."7
Es kommt zur Ausschaltung des Unterschiedes zwischen dem Ich
und den Elementen der Außenwelt, zwischen dem Teil und
dem Ganzen. In solchen Erfahrungen "gibt es nichts, was
eine konkrete Form aufweisen würde, und zugleich scheint
die gesamte Existenz in einer potentiellen oder Keimform repräsentiert
oder gegenwärtig zu sein."8 Viele
Versuchspersonen haben den Eindruck wiedergegeben, "daß
das Bewußtsein kein Produkt des zentralen Nervensystems
und als solches auf Menschen und höhere Wirbeltiere beschränkt
ist. Sie sahen darin ein Wesensmerkmal der Existenz, das auf
nichts anderes reduziert und von nichts anderem abgeleitet werden
kann."9 Viele parapsychologische Phänomene,
z.B. Telepathie, Hellsehen oder Erlebnisse der Körperlosigkeit,
lassen sich als transpersonale Erlebnisse einstufen, d.h. als
Erlebnisse, in denen der Subjekt-Objekt Gegensatz, der utilitaristische
Weltwahrnehmung bestimmt, nicht länger grundlegend ist.
Die Grenzen des Ich werden durchlässig. Diese Erlebnisse
zielen auf eine grundlegende Verbindung mit dem Umgebenden, so
wie es Bohms implizite Ordnung nahelegt (und das bedeutet nicht
zugleich, daß sich das Subjekt vollständig auflöste,
denn es ist noch immer Teil - wenn auch in erweiterter Weise
- der expliziten Ordnung). Erkennt man die Existenz transpersonaler
Erlebnisse an, verschwindet tendenziell die klare Grenzlinie
zwischen Psychologie und Parapsychologie. "Insgesamt können
transpersonale Erlebnisse durch eine mechanistische Wissenschaft
nicht erklärt werden",10 da sich
in ihnen Ereignisse widerspiegeln, die den menschlichen Sinnen
unmittelbar nicht zugänglich sind. Grof zog aus transpersonalen
Erfahrungen den Schluß, "daß wir alle auf noch
ungeklärte Weise über die Informationen über das
gesamte Universum oder jede Art von Existenz verfügen, potentiell
alle einen erlebnismäßigen Zugang zu seinen Teilen
haben und in gewissem Sinne das gesamte kosmische Netzwerk sind".11