Klassische Naturwissenschaft und holographisches Universum
Psychedelische Erlebnisse, wie Grof sie beschreibt, stehen
nicht im Widerspruch zur Naturwissenschaft, sondern lediglich
zur Nüchternheit des Alltagsbewußtseins und zu einem
mechanistischen Modell, das aus dem 17. Jahrhundert stammt. Viel
eher sind solche Erfahrungen integrierbar in beispielsweise den
buddhistischen Wiedergeburtsgedanken, denn hier ist es - auf
einer sehr hohen Stufe der Vollendung - möglich, sich an
seine Präexistenzen zu erinnern.
Wie Bohm begreift Grof die klassische Betrachtungsweise, die
auf den Postulaten des newtonisch-cartesianischen Weltbilds beruht,
nicht mehr als eine exakte Beschreibung der Realität, sondern
als ein sinnvolles Modell, mit dem sich Phänomene und Prozesse
im Bereich mittlerer Dimensionen beschreiben lassen. Das klassische
Modell ist ungeeignet, kosmologische oder ontologische Fragen
zu beantworten, wie sie gerade von einer Kunst aufgeworfen werden,
die so deutlich wie die Boissonnets auf die Grenzen jener Modelle
und ihrer Repräsentationsformen weist.
Die philosophischen Implikationen der Neuen Physik führen
zu einem Modell des Universums, das Übereinstimmungen mit
Beobachtungen aus der LSD-Forschung zeigt. Grof meint, die holonomische
Theorie David Bohms und Karl Pribams, die ihre historischen Vorgänger
in der indischen Philosophie und der Monadologie Leibniz' habe,
böte eine elegante Möglichkeit, scheinbar widersprüchliche
Vorstellungen in ein einziges, umfassendes Modell zu integrieren.
Zugleich bilde diese Theorie eine wichtige Brücke, die Physik,
transpersonale Psychologie und Neurophysiologie miteinander verbinden
könne. So wie Hologramme nicht mit den Axiomen der geometrischen
Optik allein verstanden werden können - und so wie Kunstrezeption
sich nicht im Herausdestillieren von Begrifflichkeiten erschöpft
- kann man psychedelische Phänomene nicht verstehen, wenn
man die Neurophysiologie des Gehirns als computeranaloges Rechenzentrum
begreift, dessen Erinnerungsspeicherung allein auf materiellen
Prozessen beruht.
Grof faßt die Ähnlichkeiten zwischen holographischen
Verfahren und der Phänomenologie des Bewußtseins nicht
wörtlich auf, sondern er sieht in ihnen - ähnlich wie
Bohm - lediglich zweckmäßige Analogien. Andere Wissenschaftler
sind weniger vorsichtig. So meint der Neurobiologe Ignacio E.
Ochoa Pacheco, das holographische Modell des Gehirns beschreibe
im Grunde das bioelektrische Energiefeld 'Orgon' des Psychoanalytikers
Wilhelm Reich.1 Der Physiker Michael Talbot
nimmt das Vorhandensein paranormaler Phänomenen geradezu
als Indiz für die Stichhaltigkeit des holographischen Modells.
Pribam, so Talbot, glaube, daß Mystiker während ihrer
transzendentalen Erlebnisse nichts anderes tun, als den Frequenzbereich
zu erspüren. Die Aura, das menschliche Energiefeld, beschreibt
Talbot als ein Phänomen, das offenbar die Fähigkeit,
die Frequenzaspekte der Wirklichkeit wahrzunehmen, zur Voraussetzung
hat.2 Manche beschreiben dieses Energiefeld
als aus getrennten Schichten bestehend. Diese Schichten sollen
dreidimensionale Energiekörper sein. Talbot bezeugt, daß
er fähig sei, das menschliche Energiefeld als einen deutlichen
Lichtschleier wahrzunehmen.3
Talbot beruft sich bei der Beschreibung der Wahrnehmungen von
Auren auf Pribams Frequenzfelder und auf Bohm, der glaube, daß
es auf der Subquantumebene jenseits des Atoms feine Energien
gebe, die der Wissenschaft noch unbekannt seien. Doch Bohm behauptet
nicht, daß das menschliche Energiefeld existiert. Ihm geht
es nicht um den positivistischen Beweis paranormaler Phänomene,
sondern vielmehr um eine Wandlung des Denkens und um eine veränderte
Wahrnehmung der Wirklichkeit - auch und vor allem der alltäglichen.