Alltagserfahrung und mystische Erfahrung als Teil der impliziten
Ordnung
Normale Alltagserfahrung betrachtet Bohm als einen Teil der
eingefalteten Ordnung, und bevor man sich Gedanken über
paranormale oder mystische Erfahrungen mache, solle man, meint
Bohm, zuerst die Natur gewöhnlicher Alltagserfahrung betrachten.
"Könnten die Menschen ... die Natur gewöhnlicher
Erfahrung besser verstehen, dann würden sie sehen, daß
mystische Erfahrung tatsächlich eine Erhöhung, Intensivierung
und Vertiefung von etwas ist, an dem sie schon immer teilhaben.
In der Tat haben viele Mystiker erklärt, ihre Erfahrung
lasse sie die Welt der gewöhnlichen Erfahrung erheblich
anders sehen."1 Mystische Erfahrung ist
tiefer als gewöhnliche, aber nur graduell von ihr unterschieden.
Mystische Erfahrungen, so Pribam, sind nicht ungewöhnlicher
als viele andere Phänomene in der Natur auch. "Wenn
wir Außersinnliche Wahrnehmungen (ASW)2
erfahren oder paranormale Phänomene erleben oder Nuklearphänomene
in der Physik, so bedeutet dies nichts anderes, als daß
wir in diesen Momenten aus einer anderen Dimension lesen. Im
Alltäglichen können wir dies nicht verstehen."3 Bohm beharrt, man müsse die gewöhnliche
Erfahrung in ihrer materiellen Gebundenheit zur Basis weiterer
Forschungen machen. "Eines der zu erforschenden Probleme
wäre der Zusammenhang zwischen mystischer Erfahrung und
gewöhnlicher Erfahrung und die Möglichkeit, daß
die gewöhnliche Erfahrung einige Eigenschaften hat, auf
die man gewöhnlich nicht achtet."4
Doch Eigenschaften, die uns gewöhnlich nicht bewußt
sind, liegen sinnlichem Erleben immer zugrunde - auch bei der
Rezeption von musikalischen und anderen performativ angelegten
Kunstereignissen. Begreift man Materie im Sinne Bohms tief genug,
kann sich herausstellen, daß die Erfahrungen des Normalen,
des Paranormalen und des Mystischen ein und dieselbe Wurzel in
der eingefalteten Ordnung haben. In der Musik ist wie in allen
sinnlichen Erfahrungen die eingefaltete Ordnung vorrangig in
dem Sinne, "daß das Gefühl von fließender
Bewegung erfahren wird, bevor wir diese in die Elemente analysieren,
die diese Bewegung ausdrücken oder sichtbar machen. Sie
können der Musik lauschen und sie dann später in Noten
auflösen ... Letzten Endes gilt dasselbe für unser
Sehen; wir sind aber so sehr daran gewöhnt, unsere Aufmerksamkeit
auf Objekte zu fixieren, daß wir dessen nicht gewahr werden.
Wir neigen dazu, jedes Objekt als fixiert und separat zu sehen,
weil wir immer wieder zu demselben Objekt zurückkehren ...
wodurch wir die Bewegung selbst aus dem Auge verlieren, ausgenommen
vielleicht in den seltenen Augenblicken, in denen wir auf einen
Fluß oder den Himmel blicken, wo es keine feststehenden
Objekte gibt, auf die man sich konzentrieren kann. Unsere gesamte
Erfahrung jedoch, das Denken eingeschlossen, beginnt mit der
unmittelbaren Bewußtheit dieser fließenden Bewegung.
Wenn wir metaphysisches Denken bis zu dem Punkt vorantreiben,
an dem es nur noch sich selbst reflektiert, verwandelt es sich
ebenfalls in eine fließende Bewegung zwischen Gegensätzen,
etwa dem Unendlichen und dem Endlichen. Und wenn wir Denken und
Fühlen erfahren, statt beides zu benennen und zu fixieren,
dann werden Empfindungen in Gedanken und Gedanken in Empfindungen
überfließen."5 Alles das ist
normale Erfahrung, die wir nur aufgrund der Betonung auf die
Beschreibung von Objekten mißverstehen. Das gilt auch in
Hinsicht auf menschliche Kommunikation, wenn man sie weit genug
faßt: "Man könnte dies noch weiterführen
und sagen, daß in einer Beziehung zwischen zwei Menschen
jeder das bewegende Prinzip des anderen ist. Normalerweise erfahren
wir diese Bewegungsbeziehung nicht, weshalb wir jeden als separates
und unabhängiges Wesen sehen, was in Wahrheit nicht der
Fall ist."6
Es liegt klar auf der Hand, daß Boissonnets auratisches
Hologramm auf solche Bewegungsbeziehung zielt, doch faßte
man es als bloße Illustration solchen Denkens auf, erreichte
es die Betrachter auf einer im Kognitiven verbleibenden Erfahrungsebene.
Bevor ich wieder zu In-Between zurückkomme, soll
deshalb die von Bohm angesprochene Erfahrungsebene aus psychologischer
Sicht und im Blick auf mögliche Erfahrungen genauer betrachtet
werden.