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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Die Welt als Hologramm

 

Pribram stand als Gehirnforscher zwischen den Wissenschaftsbereichen Physik und Psychologie. Seine Überlegungen führten ihn zu der alten Frage, wer oder was denn das Hologramm im Kopf interpretiere. Im Zusammenhang mit einer These der Gestaltpsychologie, daß nämlich das, was wir wahrnehmen, dasselbe ist wie die im Hirn ablaufenden Prozesse, kam Pribram zu der Schlußfolgerung, die Welt sei ein Hologramm. Sein Modell des holographischen Gehirns führte Pribram zu der Annahme, daß die von uns als objektiv angesehene Realität überhaupt nicht existiert, sondern tatsächlich eine unermeßliche, in Schwingungen versetzte Symphonie aus Wellenformen darstellt, einen Frequenzbereich, der sich erst in die uns bekannte Welt verwandelt, nachdem er von unseren Sinnen aufgenommen und nach - teils angeborenen, teils erlernten - Vorgaben dechiffriert worden ist.1

Die Beziehung zwischen dem vertrauten Bild/Objekt-Bereich und dem Frequenzbereich sieht Pribram als reziprok an. Bildwahrnehmungen sind mentale Konstruktionen, doch zugleich gehört zu diesem Vorgang ein reziprokes Stadium, eine Transformation in den Frequenzbereich. Wenn der holographische Bereich in reziprokem Verhältnis zum Bild/Objekt-Bereich steht, reflektieren mentale Aktivitäten (wie die Mathematik) die grundlegende Ordnung des Universums. Da im holographischen Frequenzbereich die normalen Grenzen von Raum und Zeit aufgehoben sind, muß zugleich die übliche Kausalität aufgegeben werden, von der die meisten wissenschaftlichen Erklärungen abhängen: "Als Erklärungsprinzipien müssen hier Kategorien wie Komplementarität, Synchronizität, Symmetrien und Zweiseitigkeit herangezogen werden."2 Pribram führt Eigenschaften des holographischen Frequenzbereichs auf, die Boissonnet - dies als Analogie - im Medium der Holographie 'materialisiert' sieht. Solche Erklärungsprinzipien gehen für Boissonnet einher mit einer Denkweise, in der die deterministische Weise der Betrachtung der Welt ersetzt wird durch eine, in der die Veränderung des Denkens in Richtung Delokalisierung, Relativität und Komplexität grundlegend ist für das Verhältnis von Subjekt und Umwelt und für das Verhältnis von Betrachter und holographischem Werk. Von den Vermittlungsstrategien der Werke und von den medialen Gegebenheiten der Holographie als Kommunikationsmedium wird solche Denkweise gespiegelt und der Erfahrung der Betrachter zugänglich gemacht. In Kommunikationstechnologien, schreibt Boissonnet, "verdichtet und enthüllt sich zugleich die laufende Veränderung des Zustands unseres westlichen Weltverständnisses. Wir können das als eine Transformation unserer mentalen Struktur betrachten, als einen Prozeß, in den Holographie ebenso eingebunden ist wie alle anderen Ausdrucksweisen, seien sie technologisch oder nicht."3 Die Weise, in der der Physiker David Bohm in Quantenphänomenen die Verbindung des Mentalen mit dem Materiellen aufscheinen sieht, vertieft solche Betrachtungsweise.


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1 Die Erkenntnis, daß Sinnenreize jeglicher Art in 'Gehirnsprache' umgewandelt werden, geht auf physiologische Forschungen von z.B. Johannes Müller und Hermann von Helmholtz zurück. (Vgl. Kap. II.3, Subjektives Sehen)

2 Pribram, 1988, S. 36.

3 Communications technologies "do indeed both condense and reveal the ongoing mutation of our Western mindset. We may see it as a transformation of our mental structure, a process with which holography is involved just as much as other means of expression, including both the technological and the non-technological. (Boissonnet, 1996, S. 1)


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