David Bohm: Physik und Holographie
Pribram hat zwei grundsätzlich verschiedene Betrachtungsmöglichkeiten
der Welt konfrontiert: die materiell fundierte und die mental
fundierte. "1. Indem das Gehirn den durch die Sinne vermittelten
Input aus der physischen Welt organisiert, konstruiert es mentale
Eigenschaften. 2. Mentale Eigenschaften sind die durchgängigen
Organisationsprinzipien des Universums, zu dem auch das Gehirn
gehört. Paradoxerweise würden sich fast alle Verhaltens-
und Neurowissenschaftler heute zu irgendeiner Form der ersten
Feststellung bekennen, während die zweite Feststellung den
Glauben einiger der einflußreichsten theoretischen Physiker
von heute wiedergibt."1 Einer der Physiker,
den Pribram im Auge hatte, war David Bohm, ein Schüler und
Protegé Einsteins. Bohm war unabhängig von Pribram
zu der Annahme eines holographischen Universums gelangt. Seine
Ausgangspunkte waren die Quantenphysik und die Photonentheorie
des Lichts. Bohm nahm in diesem Zusammenhang ein ätherähnliches
'Quantenpotential' an, das die Bahnen der Photonen lenke.
Einstein hatte postuliert, daß Licht eine Welle sei, die
kein materielles Medium brauche, die sie trägt. Frühere
Wellentheorien hatten häufig einen 'Äther' angenommen,
der die Lichtwellen trage. Seine Existenz konnte aber nie physikalisch
nachgewiesen werden. Der 'Äther' bildete einen absoluten
Bezugsrahmen. Einstein brauchte das Äthermodell nicht, denn
in seinem relativistischen System gibt es keine absoluten Bezugsrahmen
mehr, sondern nur relative, aufeinander bezogene Größen.
Betrachtet man elektromagnetische Wellen, so läßt
sich vom einen Standpunkt aus erklären, ein Stromstoß
werde durch ein sich zeitlich änderndes Magnetfeld erzeugt.
Vom anderen Standpunkt aus betrachtet geht der Stromstoß
auf ein elektrisches Feld zurück. Mit Hilfe von Einsteins
Theorie lassen sich elektrische und magnetische Felder als aufeinander
bezogene, relative Größen verstehen, denn die Maxwellschen
Gleichungen zeigen, daß ein zeitlich veränderliches
Magnetfeld ein elektrisches Feld erzeugt und umgekehrt (Dieser
Wechsel ist die sich fortpflanzende elektromagnetische Welle).
Entscheidend für das Ergebnis von Beobachtungen ist der
Standpunkt, aus dem sie gemacht werden und - mit Heisenberg -
der Einbezug des Messenden in die Messung.
Licht ist keine Welle in einem materiellen Medium, es ist nach
der Quantentheorie des Lichts von teilchenartiger Natur, doch
bleibt das Photon stets masselos. Boissonnet hält diese
Qualitäten des Lichts für symptomatisch für eine
relativistische Denkungsart: "Bemerkenswert ist, daß
die beiden Qualitäten des Lichts niemals gemeinsam auftreten,
und daß nicht eine über die andere dominiert: Es ist
manchmal das eine, manchmal das andere, abhängig vom Gesichtspunkt,
unter dem wir es betrachten. In anderen Worten: Licht kann uns
eine wichtige Lektion in Relativismus geben... Die wissenschaftliche
Beobachtung der mikrophysikalischen Welt legt nahe, daß
die Beobachter die Wirklichkeiten kreieren, die sie beobachten.
Lange vor Einsteins Relativitätstheorie und Heisenbergs
Unschärferelation, lange bevor wir es vielleicht für
möglich halten, hat die Wissenschaft ein Panorama des Relativismus
entworfen, ein Panorama und eine Weise des Denkens, die wir Künstlern
und Philosophen zu überlassen gewohnt sind. Tatsächlich
begannen in der Folge der Entdeckungen von Kopernikus und Galileo
die von der kartesianischen Denkungsart stammenden Begriffe von
Sicherheit und Wahrheit zu bröckeln."2
Boissonnet spannt einen weiten historischen Bogen, um eine relativistische
Denkungsart postulieren zu können, die er für die Bewältigung
der Gegenwart für notwendig erachtet. Indem er im Medium
der Holographie dieser zugrunde liegende physikalische und mentale
Prozesse thematisiert, ermöglicht er seinen Betrachtern
eine zugleich historisch reflexive und aktuell ereignishafte
Erfahrung. Erlebnishaftes Erfahren und mentale Reflexion werden
so auf engste zu verknüpfen gesucht, denn die Veränderung
des einen schlägt sich auf das andere nieder, und umgekehrt.
Diese Erfahrung wird nur möglich durch die (nachträgliche)
Reflexion beider Bereiche. Und das gilt auch für den Künstler
als seinem ersten Adressaten.