Gaia
Awareness of limits. Galileo hat auf die äußeren
Grenzen der Erde im Kontext der Galaxis gezeigt. Gaia,
der erste, 1992 entstandene Teil des zweiteiligen Werks, weist
auf die inneren Grenzen der Erde und auf ihren endlichen Charakter.
Gaia besteht aus einer gut drei Meter hohen stählernen
Struktur, die die Meridiane des halbierten Globusses nachbildet (Abb.
36, Abb. 37). In die
offenen Felder des Mittelstreifens der Meridiane, sind in Augenhöhe
und leicht schrägstehend acht Multi-exposure Regenbogenhologramme
(je 69 x 61 cm) eingebettet, die das Bild des Globusses (der
aufblasbare Ballon, den Boissonnet dann zur Grundlage des Stereogramms
in Galileo gemacht hat) und, räumlich ihn durchdringend,
Frauenköpfe 1 zeigen (Abb. 38, Abb. 39). Abhängig vom
Standpunkt der Betrachter (wie in In-Between sieht man
aus verschiedenen Betrachterabständen verschiedene Schlitzbilder
der Regenbogenhologramme) erscheinen der Erdball alleine, der
Erdball durchdrungen von einem oder mehreren Köpfen, oder
einer oder mehrere Köpfe alleine. Gaia war die erste Installation
Boissonnets, in der die Beleuchtung der Hologramme von den Betrachtern
beeinflußt werden konnte. Die Struktur und die holographischen
Abbilder führen den Gegenstand und das Thema der Installation
vor Augen: das Modell des kartographierten Erdballs und die in
den übereinandergelagerten Frauenköpfen verkörperte
mythische Gestalt der Mutter Erde.
Das mythische und das wissenschaftliche Modell können gelesen
werden als Metaphern für die Weise, wie wir mit der Erde
umgehen. Unser Umgang mit der Erde, schreibt de Kerckhove, ist
nicht intuitiv. Die Erde ist in den profitorientierten industrialisierten
Gesellschaften zum Gegenstand ihres Handelns geworden. Das ist
ein völlig anderer Umgang, als er aus den Ritualen von Religionen
aufscheint, die einen Sinn für die Einheit der Erde bewahrt
haben. Ein quantitativer Sprung wäre notwendig, um die Erde
wahrnehmen zu können als unsere Wurzel. Um solche
Einsicht zu ermöglichen, meint de Kerckhove, benötigten
die Menschen Modelle.1 Philippe Boissonnet stellt
mit seinem Werk solche Modelle zur Verfügung. Insofern können
sie als Vermittlungseinrichtungen begriffen werden.