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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Wirkung der Auren

 

Die Lichtlinien um die Figuren erzeugen eine Wirkung, die gemalten Gegenlichtsituationen nicht unähnlich ist. Doch der Versuch, dieses Phänomen mit der mitgebrachten Erfahrungswelt der Betrachter in Deckung zu bringen, führt dazu, im rezeptionsästhetischen Sinne Unbestimmtes mit etablierten Interpretationsmustern zu normalisieren. Das Phänomen wird dann zum Spiegel bereits vollzogener Erfahrungen, seine künstlerische Qualität verlischt.1

Die Lichterscheinungen in In-Between sind nur in holographischem Sinne abbildend, eher den schwer einzuordnenden Licht- und Farbphänomenen Monets vergleichbar als den abgebildeten Lichtsituationen im Panorama. Gegenüber den schattenhaft dunklen Körpern scheinen die farbigen Ringe wirklicher zu sein. Sind sie auch nicht im vertrauten Sinne abbildend, im Sinne des holographischen Paradigmas, wie es unten erläutert werden wird, legen sie - ohne bloß illustrativ zu sein - eine Spur aus zu einem Wirklichkeitsverständnis, das sich als Erweiterung einer utilitaristischen Alltagserfahrung fassen läßt und das, wie zu zeigen sein wird, in der erlebnishaften Rezeption der Hologramme eine Entsprechung findet. Das holographische Paradigma ist hierfür analogiehafte Entsprechung im Bereich eines Naturwissenschaftsverständnisses, das nach der Entsprechung physikalischer Erkenntnisse in Erfahrungs- und Denkprozessen fragt.

Fragt man nach der Medienangemessenheit der Arbeit, so ist sie hier mehr als in vielen anderen abbildenden Hologrammen verwirklicht.2 Was hier geschieht, ist in Begriffen der Rezeption traditioneller oder anderer technischer Medien nicht zu fassen, denn nichts ist eindeutig beschreibbar und objektivierbar. Neben dem, was auf der ikonographischen Ebene dargestellt ist, zeigt sich hier - wie schon in der Inszenierung der Platten - die ausgezeichnete Rolle des Betrachters. Der Betrachter verändert durch seine Bewegungen die Erscheinung der Hologramme. Diese Erscheinungen und Veränderungen sind ganz an ihn gebunden und nicht teilbar (höchstens mitteilbar), denn "beim Betrachten eines Hologramms bewirkt die kleinste Veränderung des Betrachtungswinkels eine Wahrnehmung, die von der unseres Nachbarn verschieden ist, egal wie nah er oder sie sein mögen."3 Der Betrachter bewirkt die je einzigartige Erscheinung der Bilder, zugleich wird die Choreographie seiner Bewegungen durch die Komposition der Bilder beeinflußt. Hier setzt sich auf einer tieferen Ebene fort, was die Beleuchtungseinrichtung verdeutlicht: die Interaktivität der Installation.

In der Rede von der holographischen Erscheinung, die ich oben erläutert habe, scheint die besondere Natur jener Bilder auf, die keine Bilder sind, denn sie erscheinen an keinen materiellen Träger gebunden, und ihre Komposition ist nahezu unabhängig vom Format der holographischen Tafeln.4 Sie erscheinen skulptural und sind doch keine Skulpturen, denn sie sind nicht taktil erfaßbar und nicht der Schwerkraft unterworfen. Die Bildelemente bewegen sich gegeneinander, überlagern und durchdringen sich, doch immer abhängig von der räumlichen Relation zwischen Betrachter, Beleuchtung und Film; es ist keine filmische Bewegung mit vorgegebener Choreographie, die vor den Betrachtern abläuft. Die Holographie hat Aspekte mit Malerei, Fotografie, Skulptur und Film gemein, doch immer in modifizierter Weise. Vielleicht, meint Boissonnet, "sind es die interdisziplinäre Natur der Holographie und ihre Überlappung mit bereits von anderen Medien besetzen Gebieten, die es so schwierig machen, die Einzigartigkeit der Holographie zu definieren. Doch wenn wir aufhören in der Fotografie entlehnter Begrifflichkeit über die Holographie nachzudenken, und stattdessen beginnen darüber nachzudenken, wie holographische Bilder die Wahrnehmung von Zeit und Raum bilden, dann wird die Holographie nachdrücklich die Relativität, Instabilität, Immaterialität und Komplexität des Realen betonen. Dies würde die Holographie (zusammen mit elektronischer Kunst und anderen interaktiven Formen der Kunst) zu einem der relevantesten Medien machen für die Evolution des wissenschaftlichen und philosophischen Denkens zu Beginn des 21. Jahrhunderts."5

Boissonnets Bewertung der Holographie, die zugleich die konzeptuelle Basis bildet für sein künstlerisches Werk, wird erst verständlicher, wenn man etwas tiefer eintaucht in die neurophysiologischen und physikalischen Modelle, die Naturwissenschaftler, ausgehend von Erkenntnissen der neuen Physik, im Zusammenhang mit der Holographie entwickelt haben. Schwebender Kern dieser Modelle ist die Absage an lineare Zeitlichkeit und an die feste Ortsgebundenheit von Geschehnissen, nichts weniger also als der raumzeitliche Zusammenhang der Dinge. Die Weise, wie wir unsere Umwelt wahrnehmen, soll hier erste Hinweise liefern.


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1 Vgl. Iser, 1975, S. 233f.

2 In der künstlerischen Holographie gibt es neben einer Vielzahl von Künstlern, die mit den abbildenden Möglichkeiten des Mediums arbeiten, eine Tendenz (einer der Hauptvertreter ist Vito Orazem) die solchen Einsatz der Holographie radikal ablehnt und hauptsächlich mit - größtenteils am Computer generierten - HOEs (Holographical Optical Elements) arbeitet.

3 "When viewing a hologram, the slightest variation in the viewing angle will necessarily offer a different perception from that encompassed by our neighbour, however close he or she may be." (Boissonnet, 1996, S. 5).

4 Die Größe der Tafeln setzt natürlich technisch bedingte Grenzen bezüglich der Größe der holographischen Erscheinungen.

5 "Perhaps it is holography's interdisciplinary nature and it's overlap with areas already occupied by other media that somehow make it so difficult for holography to define its own uniqueness... If we stop thinking of holography only in terms of photorecording and begin to think of it in terms of how holographic imagery shapes perception of time and space, then holography will emphasize relativity, instability, immateriality and complexity of the real. This would make holography (along with electronic and other interaktive forms of art) one of the media most relevant to the evolution of scientific and philosophic thought at the start of the twenty-first century." (Boissonnet, 1992, S. 519).


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