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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Das interaktive Beleuchtungssystem

 

Das interaktive Beleuchtungssystem, das Boissonnet für In-Between entwickelt hat, steuert die Beleuchtung abhängig von der Anwesenheit von Betrachtern vor den Tafeln. Betritt man den Raum, so stehen die Stahlstrukturen mit den durchscheinenden Tafeln der Hologramme im Halbdunkel. Keine Bilder erscheinen, nur das leise Ticken der Ultraschall-Bewegungsmelder ist zu hören und trägt dazu bei, die Betrachter vor die Strukturen zu ziehen. Das interaktive Beleuchtungssystem ist auf die Anwesenheit mehrerer Betrachter und deren Kommunikation miteinander angelegt. Tritt ein einzelner Betrachter in das interaktive Feld vor einer Tafel, erreicht er damit die Beleuchtung einer oder mehrerer anderer Tafeln. Verläßt er seinen Ort vor der Tafel, um die nun erschienenen Bilder zu betrachten, erlischt das Licht. Er tritt in eine andere Zone ein und bewirkt damit die Beleuchtung eines oder mehrerer anderer Hologramme, vor denen er wiederum nicht steht. Das interaktive Lichtsystem ist folgendermaßen organisiert: Miteinander gekoppelt sind das erste - sprachliche - Hologramm und das zweite - das auratische. Beide werden beleuchtet, wenn der Betrachter in das interaktive Feld vor dem dritten, technologischen Hologramm tritt. Wenn ein einzelner Betrachter vor einem der anderen Hologramme steht, wird nur das piktografische Hologramm beleuchtet. Sind zwei Betrachter anwesend, wird das System modifiziert. Tritt nur einer der beiden in ein interaktives Feld, wird dieselbe Beleuchtung ausgelöst wie oben beschrieben, und der zweite Betrachter kann nun die aufleuchtenden Hologramme betrachten: Verabredungen sind möglich und notwendig. Nähert sich jedoch der zweite Betrachter den Hologrammen, die er betrachten möchte, so weit an, daß er in ihr interaktives Feld eintritt, erlischt deren Beleuchtung. Stehen Besucher in allen drei interaktiven Feldern, leuchten alle drei Hologramme, und sie erlöschen auch nicht bei größerer Annäherung (in diesem Fall verschwinden die Bilder deshalb, weil man mit der Annäherung an die Tafeln aus den technisch vorgegebenen Betrachtungswinkeln tritt). Wieder sind Verabredungen notwendig, um sukzessiv alle Hologramme betrachten zu können, denn es darf kein Feld unbesetzt bleiben, um die fortdauernde Beleuchtung der Hologramme zu gewährleisten.

Die Anwesenheit eines einzelnen Betrachters genügt also nicht, um In-Between rezipieren zu können. Boissonnets interaktives Lichtsystem erzwingt die Kommunikation der Betrachter untereinander, er setzt mit der Inszenierung der Hologramme ein Spiel von Verabredungen in Gang. "Der königliche Blickpunkt", schreibt Louise Poissant über In-Between, "wird unwiderruflich abgesetzt, er wird ersetzt durch ein Spiel von Verabredungen - oder Zufällen, falls die Zuschauer nicht wissen, welche Rolle sie bei der Beleuchtung der Hologramme spielen."1 Die Inszenierung verdeutlicht, daß es nicht mehr darum geht, den einzigen richtigen Standpunkt einzunehmen aus dem in kontemplativer Versenkung das Werk seinen Sinn erschlösse, sondern die Gesamtheit des Werks erschließt sich im kommunikativen Austausch mit Anderen und durch die Bewegung zwischen den Tafeln. Das performativ angelegte Kunstereignis bringt sich erst im wechselseitigen Geschehen zwischen Künstler und Werk, Werk und Betrachter hervor. Das Werk indiziert, schreibt Louise Poissant, "daß es im Zwischenraum, im Übergang, in und durch die Bewegung zwischen den Elementen geschieht, daß Sinn und Gedanke zum Vorschein kommen. Zwischen den Gesprächspartnern. Zwischen dem Künstler und dem Betrachter."2 In der interaktiven Installation In-Between sind es buchstäblich die Betrachter, die die Bilder erzeugen - Louise Poissant weist in diesem Zusammenhang auf die Vorreiterrolle Marcel Duchamps 3 - und sich gegenseitig Erfahrungen vor und im Werk ermöglichen.


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1 "Le point de vue royal est irrévocablement destitué, remplacé par un jeu de connivences ou de coïncidences, dans les cas envisageables où des spectateurs participeraient à leur insu à ce partage de la lumière." (Poissant, 1998, S. 6).

2 "Cette œuvre indique aussi, plus profondément peut-être, que c'est dans l'interstice, dans le passage, dans et par la circulation entre les éléments que le sens et la pensée émergent. Entre les interlocuteurs. Entre l'artiste et le spectateur." (Poissant, 1998, S. 7).

3 "'Ce sont les regardeurs qui font les tableaux' disait Marcel Duchamp, l'un des tout premiers à avoir proclamé l'interaction essentielle entre L'œuvre et le spectateur." (Poissant, 1998, S. 1)


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