Holographische Erscheinung und Parallaxe
'Nirgendwo', das ist kein Ort, das wissen wir. Boissonnet
stellt die Worte in einen holographischen Raum, in dem sie wie
greifbar erscheinen. Die räumliche Wirkung der Worte und
des Globusses beruht im menschlichen Wahrnehmungsapparat hauptsächlich
auf der Parallaxe (griech. Veränderung). Sie ist entscheidender
als Akkommodation und Konvergenz für die Beurteilung räumlicher
Tiefe. Die Wirkung der Parallaxe ist auf einem Gemälde nicht
darstellbar, denn sie ist raumzeitlicher Natur. René Prédal
schreibt im Katalog von 1993, die Metamorphosen der Kontinente
in Galileo erinnerten an Anamorphosen oder an jene Gemälde,
in denen der Blick der gemalten Person dem Betrachter ständig
zu folgen scheine. Tatsächlich beruht dieser Effekt auf
dem Fehlen der Parallaxe, denn man sieht gemalte Augen - und
die Landkartenlandschaft im Stereogramm - immer von derselben
Seite. Das Gehirn deutet den Vorgang so, als würden die
Augen sich mitbewegen, während wir am Bild vorübergehen.
Mit holographischen Stereogrammen kann Parallaxe mittels Kamerafahrten
simuliert werden, bei holographischen Erscheinungen dagegen sehen
wir die holographierten Objekte, analog den alltäglich vertrauten
Dingen, mit voller Parallaxe.
Die Parallaxe beruht im wesentlichen darauf, daß uns die
beiden etwa 6,5 cm voneinander entfernten Augen von allem immer
zwei etwas unterschiedliche Ansichten zeigen. Der Unterschied
zwischen beiden Ansichten liefert eine Möglichkeit, die
Entfernung zum gesehenen Objekt zu bestimmen. "Unser Gehirn
versucht, die beiden Ansichten dadurch in Übereinstimmung
zu bringen, daß es ihnen verschiedene Tiefen zuschreibt."1 Entscheidend ist die raumzeitliche Dimension,
denn während wir an Objekten vorübergehen, ändern
sich ihre Ansichten ständig. Unser Gehirn interpretiert
das als relative Position der Objekte zu uns im Raum, denn die
Erfahrung zeigt, daß die Objekte ihre Form behalten (wir
wissen, ein Tisch ist rechteckig, auch wenn seine wechselnden
Ansichten sich als verschieden geformte Trapeze im Auge abbilden).
Im holographischen Raum verhält es sich genau so. Bewegt
man sich im Raum, verändern sich die Ansichten der Dinge.
Bewegt man sich vor dem Hologramm in Galileo, ziehen Worte
vorüber, und man glaubt, um den aufgeblasenen Globus herumgehen
zu können. Doch holographische Erscheinungen lösen
derartige Erwartungen nicht ein, denn ihre Betrachtungswinkel
sind eingeschränkt, und die interaktive Beleuchtungseinrichtung
in Galileo verhindert eine nahe Betrachtung der Repräsentationen.
Sie bleiben analogiehaft in jener Distanz, aus der sie als mentale
Repräsentationen erdacht und erstellt wurden.