1 Der Astronom Nikolaus Kopernikus
(1473-1543) erkannte, daß das geozentrische, ptolemäische
System für die Vorhersage der Planetenpositionen über
längere Zeiträume ungeeignet war. An den physikalischen
Grundlagen dieses Systems - den aristotelischen Forderungen nach
Kreisförmigkeit der Bahnen und Gleichförmigkeit der
Bewegungen - rüttelte Kopernikus nicht. Um 1507 griff er
auf die von Aristarchos von Samos überlieferte Idee zurück,
statt der Erde die Sonne als ruhendes Zentrum des Planetensystems
anzunehmen. Er entwarf ein heliozentrisches System, in dem er
die jährliche Bewegung der Erde um die Sonne beschrieb und
die tägliche Umdrehung des Fixsternhimmels als Rotation
der Erde um ihre eigene Achse erklärte. Die Resultate seiner
Arbeit lagen zum Teil bereits 1514 als Manuskript vor, doch er
veröffentlichte sie erst kurz vor seinem Tod in seinem Hauptwerk
'De revolutionibus orbium coelestium libri VI' (1543, dt.: Über
die Kreisbewegungen der Weltkörper 1879). Durch ein verfälschendes
Vorwort des Theologen A. Osiander wurde das neue Weltsystem jedoch
nicht als Tatsachenbeschreibung, sondern lediglich als astronomisches
Denkmodell ausgegeben. Das Werk wurde von kirchlicher Seite angegriffen
und 1616 im Zuge der Auseinandersetzungen mit Galilei auf den
Index gesetzt. Das kopernikanische System blieb aufgrund der
Annahme von kreisförmigen Bewegungen der Himmelskörper
in seinen Voraussagen unpräzise. Zum Durchbruch gelangte
es erst nach der Einführung der Ellipsenbahnen durch Johannes
Kepler (1571-1630).
2 "When Copernicus broke away
from the geocentric conception of the world, he marked a real
turning point in the history of thought. Galileo, by confirming
this system of the universe through the introduction of the astronomic
telescope and his own observations and calculations, effectively
established a thought-decentering mechanism, which constituted
an open window onto the concept of doing away with territorial
exclusivity, replacing it with the relativization of the idea
of truth." (Boissonnet,
1996, S. 3f.)