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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Das holographische Stereogramm

 

Die unterschiedlichen Verfahren, die Boissonnet für Galileo kombiniert hat, weisen auf verschiedene Perzeptionsweisen und Bedeutungsdimensionen, wie am Unterschied zwischen holographischer Erscheinung und den Bildern des holographischen Stereogramms erläutert werden kann.

Das holographische Stereogramm imitiert ein Verfahren, das schon lange vor Erfindung der Holographie erlaubte, räumliche Bilder zu erzeugen: die Stereographie. Für holographische Stereogramme oder Multiplexhologramme werden nicht dreidimensionale Objekte holographiert, sondern Bilder. Man kann nicht nur von festen Objekten, sondern auch von Bildern oder Projektionen - Dias, Computerbildern oder Hologrammen beispielsweise - wieder Hologramme anfertigen. "Als Objekt dient ein durch eine Linse oder ein Hologramm erzeugtes Bild; deshalb werden derartige Hologramme 'Image-Hologramme' genannt."1 Holographische Stereogramme sind ein Spezialfall der Image-Hologramme.

Die Multiplextechnik, die 1972 von Lloyd Cross entwickelt wurde, verbindet Film und Holographie. Das wie erstarrt erscheinende dreidimensionale Bild des historischen Stereoskops wird verzeitlicht. Die Holographie wird bei Multiplexhologrammen verwendet, um filmisch fortlaufende Einzelbilder nacheinander auf einen holographischen Film aufzuzeichnen; genutzt wird die immense Speicherfähigkeit des Mediums. Der räumliche Eindruck wird durch einen nichtholographischen Trick erreicht. Anders als bei anderen Hologrammen handelt es sich bei dem von Multiplex-Hologrammen hervorgerufenen Seheindruck um einen stereoskopischen Effekt.

Ausgangspunkt für Multiplexhologramme sind normale Filmbilder oder Dias. Von jedem Filmbild wird ein vertikales Streifenhologramm hergestellt, das eine Breite von weniger als einem Millimeter hat. Dafür wird mit dem Objektstrahl das Filmbild ausgeleuchtet. "Nach Passieren des Bildes wird der kugelförmig aufgeweitete Strahl dann mit Hilfe einer Kollimatorlinse in einen parallel verlaufenden Strahl umgeformt. Dieser wird dann wiederum mittels einer Zylinderlinse in einen ca. 1 mm breiten und 20 cm langen Lichtstrahl geformt, mit dem dann schließlich der holographische Film belichtet wird. Zur gleichen Zeit gelangt der Referenzstrahl, über Spiegel gerichtet, von hinten auf den holographischen Film. Das Hologramm, das auf diese Weise erzeugt wird, hat das Format eines schmalen, vertikal verlaufenden Spaltes. Nach und nach werden so alle weiteren Filmbilder auf dem gleichen holographischen Film nebeneinander als Einzelhologramme aufgenommen."2 Multiplexhologramme können bis zu 1000 Einzelhologramme enthalten.

Jedes einzelne Streifenhologramm zeigt ein flaches Bild, das meist hinter der Filmebene zu liegen scheint. Wie ein Film setzt sich ein Multiplexhologramm aus einer Anzahl von Einzelbildern zusammen, die bei der Betrachtung filmische Bewegungseffekte hervorzurufen vermögen. "Und wenngleich jedes dieser Einzelhologramme zunächst nur filmisch zweidimensionale Bildinformationen enthält, vermag der Betrachter dennoch ein räumliches Bild wahrzunehmen, da er mit jedem Auge ein perspektivisch leicht versetztes Bild empfängt. Die Summe jeweils zweier Bilder bewirkt dabei einen stereoskopischen Seheffekt, der es ihm ermöglicht, aus jeder beliebigen Position ein räumliches Bild des aufgenommenen Objektes wahrzunehmen."3

Stereoskopische Effekte basieren darauf, daß zwei unterschiedliche Bildinformationen wahrnehmungsphysiologisch zur Einheit eines räumlichen Bildes verschmelzen. Der dreidimensionale Effekt und die räumliche Veränderung werden in Stereogrammen häufig dadurch simuliert, daß die Kamera während der Aufnahme z.B. eines sich langsam bewegenden Menschen einen Halbkreis um ihn beschreibt, und so am Ende verschiedene Ansichten ins Multiplexhologramm übertragen werden können. Im fertigen Hologramm sehen beide Augen verschiedene Streifenhologramme, die unterschiedlichen Kamerastandpunkten entsprechen: Die flachen Bilder wirken dreidimensional.4 Bei bewegten Szenen sehen die Augen nicht nur das Objekt aus verschiedenen Perspektiven, sondern auch in verschiedenen Bewegungsphasen.

Holographische Stereogramme sind in halbzylindrischer, zylindrischer oder auch in quadratmetergroßen ebenen Flächen zu sehen. Als hybride Erscheinungen zwischen Film und Holographie sind Multiplexhologramme technisch wie ästhetisch eine Sonderform der Holographie. Auch die Rezeptionsweise ist von der anderer Hologramme verschieden, denn die Wahrnehmung stereoskopischer Bilder beruht auf einer Sinnestäuschung, die holographischer Erscheinungen nicht. Philippe Boissonnet hat ein Stereogramm in das Regenbogenhologramm von Galileo integriert. An den verschiedenen Ausformungen des Hologramms lassen sich verschiedene Sehkonzepte - und in der Interpretation nicht nur solche des Sehens sondern auch der vermittelten Betrachtererfahrung - unterscheiden.


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1 Eichler/Ackermann, 1993, S. 41.

2 Zec, 1987, S. 85.

3 Zec, 1987, S. 86.

4 Die Bewegungen des dargestellten Objekts wie die der Kamera dürfen nicht zu schnell sein, denn sonst sehen die beiden Augen zu verschiedene Bewegungsphasen, und die Illusion eines dreidimensionalen Bildes wird gestört.


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