Empfindung und Gegenstand
In seinem 'Handbuch der physiologischen Optik' beschäftigt
sich Helmholtz eingehend mit dem Verhältnis von Wahrnehmungsgegenstand
und dessen Empfindung. Helmholtz definiert Empfindungen als Wirkungen,
die durch äußere Ursachen hervorgebracht werden. Insofern
sind sie Zeichen. Dem Begriff 'Wahrnehmung' ist implizit, daß
wir die uns durch die Wahrnehmung vermittelten Vorstellungen
von der Außenwelt 'wahr' nennen, wenn sie sich praktisch
bestätigen. Das Urteil der Wahrheit beruht auf der Gesetzmäßigkeit
der Erscheinungen. Das Konstante in einer veränderlichen
Erscheinung, sagt Helmholtz, nennen wir 'Substanz', das gleichbleibende
Verhältnis zwischen veränderlichen Größen
'Gesetz'. Substanz und Gesetz sind Folgerungen aus Empfindungen.
Erreichen können wir damit die Kenntnis "der gesetzlichen
Ordnung im Reich des Wirklichen, diese freilich nur dargestellt
in dem Zeichensystem unserer Sinneseindrücke. Daß
unser Denken und Wahrnehmen in Bezug auf Erkenntniß des
Wirklichen mehr als dieses Ziel erreiche, muß ich verneinen.
Aber wie ich schon bemerkt habe, schliße ich auch die Vorgänge,
von denen uns unsere innere Anschauung berichtet, unter den Begriff
der wirklichen Vorgänge ein."1 Das
Zurückführen von Erscheinungen auf zugrunde liegende
Substanzen "erlaubt weder die Lückenhaftigkeit unseres
Wissens, noch die Natur der Inductionsschlüsse, auf denen
all unsere Wahrnehmung des Wirklichen vom ersten Schritte an
beruht."2 Das Prinzip unseres Denkens ist
das Kausalgesetz, sagt Helmholtz (daß gerade durch physikalische
Erkenntnisse die Allgemeingültigkeit des Kausalgesetzes
einmal würde infrage gestellt werden, konnte Helmholtz sich
noch nicht vorstellen). Das Kausalgesetz "spricht das Vertrauen
auf die vollkommene Begreifbarkeit der Welt aus."3
Für die Anwendbarkeit des Kausalgesetzes spricht sein Erfolg.
Lebten wir in einer akausalen Welt, so würden wir keine
Regelmäßigkeit finden, und unsere Denktätigkeit
müßte ruhen. "Das Causalgesetz ist wirklich ein
a priori gegebenes, ein transcendentales Gesetz. Ein Beweis desselben
aus der Erfahrung ist nicht möglich, denn die ersten Schritte
der Erfahrung sind nicht möglich, wie wir gesehen haben,
ohne die Anwendung von Inductionsschlüssen, d.h. ohne das
Causalgesetz; und aus der vollendeten Erfahrung, wenn sie auch
lehrte, daß alles bisher Beobachtete gesetzmäßig
verlaufen ist, - was zu versichern wir doch lange noch nicht
berechtigt sind, - würde immer nur erst durch einen Inductionsschluß,
d.h. unter Voraussetzung des Causalgesetz, folgen können,
daß nun auch in Zukunft das Causalgesetz giltig sein werde.
Hier gilt nur der eine Rath: Vertraue und handle!"4
Auf diese Weise erzeugen Erfahrungen - und darin ist curricular
Erlerntes und lebensgeschichtlich Erfahrenes gleichermaßen
inbegriffen - Deutungsmuster, mit denen fernere Erfahrungen abgeglichen
werden.