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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Nachbildphänomen und impressionistische Farbgebung

 

Abgesehen davon, daß Monet die schulbuchmäßige Verwendung reiner Farben nicht betrieben hat, ist das Auge bezüglich der Empfindung von Farbeindrücken nicht neutral. Farben erscheinen kontextabhängig. Helmholtz erläutert am Nachbildphänomen, wie sich Farben gegenseitig beeinflussen. Eine Farbe erscheint beispielsweise durch helle Nachbarschaft dunkler, durch dunkle Nachbarschaft heller, und durch eine farbige komplementärfarbig. Zur Erklärung der Nachbilderscheinungen bedient sich Helmholtz der Hypothese, daß jeder Nervenapparat ermüde, wenn er in Tätigkeit gehalten wird.1 Das geschieht auch im Auge: Hat man eine Zeitlang in sehr helles Licht geschaut, wird die Netzhaut unempfindlich für schwächeres Licht. Es hat eine allgemeine Ermüdung der Netzhaut stattgefunden. Abgrenzbare Nachbilder entstehen aufgrund einer lokalen Ermüdung der Netzhaut, komplementärfarbige Nachbilder entstehen aufgrund partieller Ermüdung für einzelne Farben. Nach der Youngschen Hypothese von den dreierlei Arten von Farbe empfindenden Nervenfasern werden bei der Empfindung einer bestimmten Farbe diese Fasern unterschiedlich stark erregt. Young postulierte, "dass die Verschiedenheit der Farbenempfindung nur darauf beruht, ob die eine oder andere Nervenart relativ stärker afficirt wird."2 Blickt man beispielsweise längere Zeit auf eine rote Fläche, so werden die rot empfindenden Nervenfasern relativ stärker erregt als die grün und violett empfindenden. Wird die rote Fläche nun aus dem Gesichtsfeld entfernt, so erscheint an ihrer Stelle ein grün-violettes Nachbild. Goethe hat solche Nachbilder ausführlich beschrieben.

Nachbilderscheinungen treten um so stärker auf, je heller das Licht ist und je gesättigter die Farben sind. Da Malerfarben im allgemeinen abgemischt und also eher stumpf sind, treten so starke Kontrasterscheinungen wie in der Natur im Gemälde nicht auf. "Will also der Künstler den Gesichtseindruck, den die Objecte geben, mit den Farben, die ihm zu Gebote stehen, möglichst eindringlich wiedergeben, so muss er auch die Contraste malen, welche jene erzeugen... So werden Sie bei einiger Aufmerksamkeit finden, wie der Regel nach Maler und Zeichner eine ebene, gleichmässig erleuchtete Fläche da heller machen, wo sie an Dunkel, dunkler, wo sie an Hell stösst. Sie werden finden, dass gleichmässig graue Flächen gegen Gelb getönt werden, wo hinter ihnen am Rande Blau zum Vorschein kommt, gegen Rosa, wo sie an Grün stossen ... Wo einzelne Sonnenstrahlen durch das grüne Laubdach eines Waldes dringend den Boden treffen, erscheinen sie dem gegen das herrschende Grün ermüdeten Auges rosenroth gefärbt, und dem rothgelben Kerzenlicht gegenüber erscheint das durch eine Spalte einfallende weisse Tageslicht blau. So malt sie in der That auch der Maler, da die Farben seines Gemäldes nicht leuchtend genug sind, um ohne solche Nachhilfe den Contrast hervorzubringen."3


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 1 Was Helmholtz als 'Ermüdung' beschreibt, stellt sich heute als komplexer Vorgang dar. Die Sprache des Gehirns besteht aus chemischen und elektrischen Signalen, die unspezifisch, also neutral sind. Die Sinnesorgane müssen die physikalischen und chemischen Umweltereignisse so umwandeln, daß Nervenzellen in ihrem Aktivitätszustand verändert werden können. Im Falle des Sehsinns müssen elektromagnetische Wellen übersetzt werden. Die Absorption eines Lichtquants im Sehpurpur der Photorezeptoren führt zu einer mehrschrittigen chemischen Veränderung, durch die letztlich die Photorezeptormembran hyperpolarisiert wird. Die Hyperpolarisation leitet die Weiterleitung des nun umgewandelten Reizes in verschiedene Teile des Gehirns ein. "Dabei ist es ... so, daß die Photorezeptoren während der Dunkelheit aktiv sind, denn bei Abwesenheit von Licht sind die Natriumkanäle ihrer Membran geöffnet, und es findet ein sogenannter Dunkelstrom statt. Belichtung hemmt diese Aktivität." (Roth, 1994, S. 82.)

2 Helmholtz, 1868, S. 280.

3 Helmholtz, 1876, S. 124f.


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