1 Helmholtz,
1853, S. 13.
Für Goethe bestand "das Wesentliche der dichterischen
wie jeder künstlerischen Tätigkeit ... darin, das künstlerische
Material zum unmittelbaren Ausdrucke der Ideen zu machen. Nicht
als Resultat einer Begriffsentwicklung, sondern als das der unmittelbaren
geistigen Anschauung, des erregten Gefühls, dem Dichter
selbst kaum bewusst, muss die Idee in dem vollendeten Kunstwerk
daliegen und es beherrschen. Durch diese Einkleidung in die Form
unmittelbarer Wirklichkeit empfängt der ideelle Gehalt des
Kunstwerks eben die ganze Lebendigkeit des unmittelbaren sinnlichen
Eindrucks, verliert aber natürlich die Allgemeinheit und
Verständlichkeit, welche er in der Form des Begriffs vorgetragen
haben würde." (Helmholtz, 1853, S. 13.) Goethe glaubte,
in der Wirklichkeit den unmittelbarsten Ausdruck der Idee finden
zu können. In den Vorstudien zur Farbenlehre (aufgezeichnet
etwa 1799) beschreibt Goethe künstlerische Apperzeption:
"Das Auge sieht keine Gestalten, es sieht nur, was sich
durch Hell und Dunkel oder durch Farben unterscheidet. In dem
unendlich zarten Gefühl für Abschattierung des Hellen
und Dunkeln sowie der Farben, liegt die Möglichkeit der
Mahlerey. Die Mahlerey ist für das Auge wahrer, als das
Wirkliche selbst. Sie stellt auf, was der Mensch sehen möchte
und sollte, nicht was er gewöhnlich sieht... Das Auge ist
das letzte, höchste Resultat des Lichtes auf den organischen
Körper... Das Licht überliefert das Sichtbare dem Auge;
das Auge überliefert's dem ganzen Menschen. Das Ohr ist
stumm, der Mund ist taub; aber das Auge vernimmt und spricht.
In ihm spiegelt sich von außen die Welt, von innen der
Mensch. Die Totalität des Innern und Äußern wird
durchs Auge vollendet." (Goethe,
1810, S. 163.)
2 "Denn eigentlich unternehmen
wir umsonst, das Wesen eines Dinges auszudrücken. Wirkungen
werden wir gewahr, und eine vollständige Geschichte dieser
Wirkungen umfaßte wohl allenfalls das Wesen jenes Dinges.
Vergebens bemühen wir uns, den Charakter eines Menschen
zu schildern; man stelle dagegen seine Handlungen, seine Taten
zusammen, und ein Bild des Charakters wird uns entgegentreten.
Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Leiden. In diesem
Sinne können wir von denselben Aufschlüsse über
das Licht erwarten. Farben und Licht stehen zwar untereinander
in dem genauesten Verhältnis, aber wir müssen uns beide
als der ganzen Natur angehörig denken, denn sie ist es ganz,
die sich dadurch dem Sinne des Auges besonders offenbaren will."
(Goethe, 1810, S. 168.)
3 Goethe, zit. nach: Crary,
1996, S. 76.
4 Goethe, zit. nach: Crary,
1996, S. 76.
5 Goethe,
1810, S. 177.
6 Goethe, meint Helmholtz, habe Anstoß
genommen an den Annahmen, die die Newtonsche Theorie "zum
Zwecke der Erklärung macht, und die ihm so absurd erscheinen,
dass er deshalb die gegebene Erklärung als gar keine achtet.
Es scheint ihm namentlich der Gedanke undenkbar gewesen zu sein,
dass weisses Licht aus farbigem zusammengesetzt werde könne;
er schilt ... auf das ekelhafte Newton'sche Weiss der Physiker".
(Helmholtz, 1853,
S. 16.) Goethe beharrte trotz eingehender Kenntnis der Newtonschen
Theorie auf dem Urteil, sie widerspräche dem Augenschein
und müsse also falsch sein: "Daß alle Farben
zusammengemischt Weiß machen, ist eine Absurdität,
die man nebst anderen Absurditäten schon ein Jahrhundert
und dem Augenschein entgegen zu wiederholen gewohnt ist."
(Goethe, 1810, §
558, S. 288.) Newtons Farbtheorie gründet in der Annahme,
daß Licht verschiedener Art sich unter anderem auch im
Farbeindruck unterscheide. Weiß sei die Mischung aller
Farben in bestimmten Verhältnissen, aus dem Weiß und
den Mischfarben könne man jederzeit die einfachen Farben
wieder ausscheiden, die einfachen Farben seien unzerlegbar und
unveränderlich. "Die Farben der ... Körper entständen
dadurch, dass diese von weissem Lichte getroffen einzelne farbige
Theile desselben vernichteten, andere, welche nun nicht mehr
im richtigen Verhältnisse gemischt seien um Weiss zu geben,
dem Auge zuschickten. So erscheine ein rothes Glas deshalb roth,
weil es nur rothe Strahlen durchlasse. Alle Farbe rühre
also nur von einem veränderten Mischungsverhältnis
des Lichtes her, gehöre also ursprünglich dem Lichte
an, nicht den Körpern, und letztere geben nur die Veranlassung
zu ihrem Hervortreten." (Helmholtz, 1853, S. 10.)
7 Goethe,
1810, § 560, S. 288f.
8 Clemenceau,
1929, S. 150ff.