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Gabriele Schmid:  Illusionsräume
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Kontext: Städtischer Umraum versus Kellerverließ

 

Zur heutigen Trennung von Galerieraum und Außenraum trägt nicht nur die veränderte Beleuchtungssituation bei, sondern verändert ist auch die Gestaltung der Säle, ihr baulicher Kontext im Orangeriegebäude und schließlich ihre Anbindung an den städtischen Umraum.

Auf Fotografien von 1927 ist erkennbar, wie die Säle ursprünglich gestaltet und gegliedert waren (Abb. 25-27). Die Wände waren nach Aussagen von Augenzeugen beige-grau getönt wie sie es auch heute sind, doch waren die Flächen zumindest im vorderen Saal nicht homogen. Die Wandflächen sind etwas über dem oberen Rand der Bildtafeln durch einen Sims gegliedert. In den Durchgängen und im vorderen Saal unterhalb des Simses waren die Wandflächen durch aufgezeichnete Steinmuster strukturiert (im hinteren Saal waren sie eventuell dunkler getönt, aber das läßt sich nach den mir vorliegenden Fotografien schwer beurteilen). Von der Farbe der Wände war die gewölbte Fußbodenleiste dunkler abgesetzt. Der steinerne Fußboden bestand aus großen, terrazzoähnlich gemusterten, quadratischen Steinplatten, die im inneren Bereich hell- und dunkelgrau schachbrettartig angelegt waren. Der innere Bereich war umgeben von ovalen, den Grundriß nachzeichnenden Streifen, die am äußeren Rand wiederum quadratisch und länglich rechteckig strukturiert waren. Die Eingänge und Übergänge waren durch eine kreisförmige Struktur markiert. In jedem Raum gab es vier, mit Gittern bedeckte Schächte. Sitzgelegenheiten gab es keine. Die Säle waren gegliedert in eine Fußboden- eine Wand- und eine Deckenzone - in eine steinerne Erdzone, einen farbig leuchtenden Schauraum und eine lichte Himmelszone könnte man sagen.

Heute sind die Wandflächen alle (außer jenen in den Zu- und Durchgängen, die ihre Steinmusterung behalten haben) homogen beige-grau gestrichen. War die Decke früher - vermutlich durch quer gespannte Stoffbahnen - eher homogen gehalten, so ist sie heute durch kleinteilige quadratische Milchglasplatten gegliedert. Den Fußboden dagegen bedeckt - samt der gewölbten Fußleiste! - ein Teppichboden, der farbig den Wänden angeglichen ist. In der Mitte der beiden Säle befindet sich je ein rechteckiges Sitzelement (Abb. 21/22, 23/24).

Das ehemals oval angelegte und von natürlichem Oberlicht beleuchtete Vestibül ist einem viereckigen Raum gewichen. Auch der Fußboden des Vestibüls war mit ovalen Streifen gegliedert, die Durchgänge zu den Sälen und ins Freie waren rundbogenförmig und verglast - heute ist die eine übriggebliebene rechteckig, undurchsichtig und verschlossen (Abb. 17, Abb. 28). Nur wenn man ganz genau hinschaut sieht man einen Rest Tageslicht durch die Türritzen schimmern, und nach längerem Nachdenken kann einem klar werden, daß man sich im Erdgeschoß der Orangerie befindet und nicht in einen Keller hinabgestiegen ist.

Die ovale Form der Räume war von außen bereits angekündigt: Auf der Tuilerienseite gibt es den - heute zugemauerten - Zugang ins Vestibül, vor dem eine ovale Treppe angelegt ist (Abb. 29). Über dem Tor ist eine Figur mit pflanzlichen und gärtnerischen Attributen angebracht. Auch die großen Tore an der Vorder- und Rückfront (Abb. 31) des Gebäudes sind beide rundbogenförmig. Heute ist in den Rundbogen an der Vorderfront eine rechteckige Glastür eingebaut (Abb. 32). Es gab eine lebhafte Wechselwirkung zwischen Innenraum und Außenraum - so wie in Monets Malerei, die in seiner Apperzeption gründet, innere Empfindung und äußere Gegenstände intentional verbunden sind.


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