Zurück
Gabriele Schmid:  Illusionsräume
Home

 

Impressionistische Komposition

 

Impressionistische Komposition kann nicht im Sinne strenger Flächenaufteilung verstanden werden. Nach Kurt Badt besteht ihre Besonderheit darin, "daß sie - zwangsläufig, da der Impressionismus kein lineares Bildgerüst kennt - auf einer gleichgewichtigen und in sich geschlossenen Verteilung der Farbgewichte beruht. Unter Farbgewicht ist dabei diejenige Bedeutung zu verstehen, die einem einzelnen Farbfleck oder einer Gruppe solcher Flecken durch Stärke, Tiefe oder Umfang ... zukommt."1 Farbfelder, Farbflecken, Pinselstriche und kleinste Nuancen bilden ein dichtes Geflecht, in dem sie miteinander in Bezug stehen, in dem sie ebenso lückenlos verbunden sind wie die Naturdinge im Seerosengarten durch Wasser und Atmosphäre. Monet wollte seine Empfindungen gewissenhaft wiederzugeben, und er suchte - im Helmholtzschen Sinne - eine Umsetzung für seine Apperzeption. Über seine Heuschoberserie schrieb Monet am 7. Oktober 1890 an Geffroy: "Während ich weitermache wird mir zunehmend klar, daß ich hart werde arbeiten müssen, um das zu erreichen, wonach ich strebe: jene 'Unmittelbarkeit', vor allem die Hülle, das überall gleiche sich ausbreitende Licht... Kurzum, ich bin zunehmend von dem Bedürfnis getrieben, wiederzugeben was ich fühle".2 Monets Umsetzungsleistung ist ablesbar an der variantenreichen Ausführung der Bilder (Abb. 3-5), die nicht auf eine geheimnisvolle Theorie zurückzuführen ist, sondern mit den komplexen Sinnesempfindungen vor dem Sujet zusammenhängt. Die Variationsbreite der Pinselstriche Monets "hat nichts mit divisionistischer Theorie zu tun; sie läßt sich nicht anhand einer einzelnen Arbeit oder einer Gruppe von Arbeiten klassifizieren, und sie läßt sich nicht in eine saubere Entwicklung von großen zu kleinen Strichen, dünnen zu dicken Pigmenten oder flächigen zu durchbrochenen Bereichen gliedern. Um die Vielzahl der Arten von Strichführung zu erfassen, die er benutzte, wäre es notwendig, sich jedes einzelne seiner Gemälde vorzunehmen und im Original Stück für Stück zu untersuchen. Für eine solche rhythmische Vielfalt kann es nur eine Ursache geben: Sie ist eine Umsetzung der Vielfalt der Natur."3 Solche Reichhaltigkeit kann nicht auf eine kognitiv erfaßbare Ordnung reduziert werden, sie ist nicht curricular vermittelbar. Doch erfolgte die Ausführung der großen Tafeln nicht ungeplant. "Man ist kein Künstler ... (sic), wenn man nicht sein Bild vor der Ausführung im Kopf hat und wenn man sich seines Metiers und seiner Komposition nicht sicher ist... (sic) Die Techniken variieren... (sic) Die Kunst bleibt dieselbe: sie ist eine eigenwillige und zugleich sensible Transposition der Natur."4


Home

Inhalt

Weiter


 

1 Kurt Badt (Die Farbenlehre, 1961, S. 116f.) zit. nach: Rahn, 1978, S. 119.

2 Monet nach Geffroy, in: Stuckey, 1994, S. 157.

3 William Seitz: Monet und die abstrakte Malerei. Zuerst in: College Art Journal, Herbst 1956. In: Stuckey, 1994, S. 368.

4 "On n'est pas un artiste ... (sic), si l'on ne porte pas son tableau dans sa tête avant de l'exécuter et si l'on n'est pas sûr de son metier et de sa composition ... (sic) Les techniques varient ... (sic) L'art reste le même: il est une transposition à la fois volontaire et sensible de la nature" (Monet, zit. nach: Sagner-Düchting, 1985, S. 43.)


Home

Inhalt

Weiter