Landschaft als Handlungsraum
Als Handlungsraum und als Folie für Bewegungen dient
die Landschaft in Mesdags Panorama. Mag es auch Mesdags Anliegen
gewesen sein, die Natur sprechen zu lassen, so spräche doch
eine kultivierte Natur. Sie ist von den Bewegungsbahnen der Dampfschiffe,
Kutschen und Eisenbahnen durchzogen. In den dargestellten Bewegungsbahnen
im Panorama sind die Blickbahnen der Betrachter vorentworfen;
im rezeptionsästhetischen Sinne fungieren sie als Betrachterfunktionen
und ermöglichen und lenken potentielle Betrachtererfahrung.
Die sich über die Panorama-Leinwand erstreckende Topographie,
schreibt Schivelbusch über die frühen Panoramen, sei
"durch ein Netz von Blickbahnen in einer Weise erschlossen,
wie es schon wenig später die wirkliche Landschaft dank
eines neuen Verkehrsnetzes sein wird. Die Mobilisierung und Regulierung
der Blicke mit Hilfe der Massenmedien antizipiert und reflektiert
die wenig später erfolgende Mobilmachung der Körper
in den neuen Transportmitteln und -wegen."1
So interpretiert Schivelbusch Mediengeschichte in pädagogisch
relevanter rezeptionsgeschichtlicher Hinsicht. Massenmedien wie
die Panoramen sind didaktische Modelle, indem sie eine Weise
der Weltwahrnehmung entwerfen, die auf die Wahrnehmung der Wirklichkeit
zurückwirkt. Diese Wirklichkeit bot nun einen neuen Erfahrungskontext,
indem technologische Entwicklungen wie die Eisenbahn die im didaktischen
Modell vorgebildete Wahrnehmungsweise bestätigten und beförderten.
"Die Eisenbahn", sagt Sternberger, "bildet die
neu erfahrbare Welt der Länder und Meere selbst zum Panorama
aus."2
Für die Panoramabetrachter des späten 19. Jahrhunderts
war die Erdoberfläche durch die Verwendung neuer Transportmittel
zum geographischen Raum geworden. Die Blicke überfliegen
den Raum. "Die Geschwindigkeit und mathematische Geradlinigkeit,
mit der [die Eisenbahn] durch die Landschaft schießt, zerstören
das innige Verhältnis zwischen Reisendem und durchreistem
Raum. Der Landschaftsraum wird ... zum geographischen
Raum"3 , in welchem Details auch
vorkommen, durch die er aber nicht konstituiert wird. Das
Panorama, das die von Bewegungen durchzogene Erdoberfläche
spiegelt ist ein entworfener, strukturierter Raum. Dadurch potenziert
es gewissermaßen den kultivierten Landschaftsraum. "Die
Ruhelosigkeit ... wie sie von den neuen Verkehrsmitteln ... ausgeh[t],
wird vom Panorama in eine geordnete, gerichtete, kurz, in eine
beruhigende Mobilität überführt."4