Der Horizont als Symptom
Das Hauptmotiv im Panorama ist der Horizont. Es basiert auf
der Polyperspektive der Panoramen. Oettermann definiert das Panorama
als Umsetzung der Horizontlinie in ein Bild.1
Der ständig wechselnde Fluchtpunkt wird zum Horizont, zu
einer tatsächlich durchgehenden Linie, während alle
anderen horizontalen Linien unter dem Horizont tatsächlich
gebogen sind, um gerade zu erscheinen. Der Horizont ist 'wahrer'
als alle anderen Horizontalen. Die gerade Linie des Horizonts
ist das eigentliche Sujet der Panoramen. Es hat keine materielle
Entsprechung in der Wirklichkeit.
In der natürlichen Landschaft begrenzt der Horizont das
Blickfeld. Der Horizont ist standort- und subjektgebunden: Wir
können aus unseren Horizonten nicht heraustreten. Geographisch
bezeichnet der Horizont die gedachte Linie, an der der Himmel
die Erde berührt. Im Unterschied zum Äquator, der ebenfalls
eine gedachte Linie ist, hat der Horizont keinen bestimmten Ort.
Ähnlich dem Augenpunkt in der perspektivischen Konstruktion
ist der Horizont "als den Raum begrenzend ... nicht selber
im Raum."2
Wie das Panorama und die Perspektive hat der Horizont neben der
phänomenologischen und der geometrisch-geographischen auch
eine übertragene Bedeutung als geistiger Horizont. Die phänomenologische
und die übertragene Bedeutung des Horizonts hängen
auf verzwickte Weise zusammen. Im Panorama ist der Horizont die
Zusammenfassung aller möglichen Perspektiven. Am Horizont
zeigt sich die Totalität, die im Panorama, dem Ort an dem
'alles zu sehen' ist, sichtbar wird. Am Horizont zeigt sich,
daß der Illusionsraum 'Panorama' nicht nur bezüglich
der Darstellungsweise illusionär-konstruktiven Charakter
hat, sondern auch bezüglich eines Welt-Entwurfs, für
den der Horizont ebenso symptomatisch ist wie in seiner Visualisierung
'Panorama'. Der Bedeutungswandel des Begriffs Horizont zeigt,
deutlicher noch als jener der 'Perspektive', den sich ändernden
Blick von Menschen auf sich selbst und die Welt.