1 Zusammengesetzt aus dem griechischen
'pan' (= alles) und 'hòrama' (= sehen) ist der Terminus
'Panorama' dem 'Telephon' oder 'Automobil' vergleichbar. Der
Begriff wurde Ende des 18. Jahrhunderts als Bezeichnung für
die neu entstandene Kunstform geprägt. Fast zeitgleich taucht
'Panorama' in übertragener Bedeutung für 'Rundblick'
oder 'Überblick' auf; sowohl für die Landschaftsbetrachtung
als auch in Kunst, Literatur und Geschichte. Oettermann weist
darauf hin, daß die Kunstform des Panoramas vor der Anwendung
des Begriffs auf die Landschaftsbetrachtung existiert habe, wogegen
heute fälschlicherweise die Meinung herrsche, das Rundgemälde
sei nach der natürlichen Rundumsicht benannt (Vgl. Oettermann,
1980, S. 7f).
2 Die Geschichte des Mediums ist von Stephan
Oettermann und Heinz Buddemeier ausführlich dargestellt
worden und sei hier nur kurz skizziert:
Oettermann schränkt die historische Erscheinung des Panoramas
- von Vorläufern und Nachzüglern abgesehen - auf das
19. Jahrhundert ein. Seine Geschichte verlief in zwei Phasen.
Die erste begann 1787 mit der Patentierung des Panoramas in England
durch Robert Barker und endete Mitte des 19. Jahrhundert. Die
zweite Phase begann um 1870 und endete zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Die frühen Panoramen zeigten hauptsächlich Stadtansichten
und Landschaftsbilder. In der zweiten Phase wurden Panoramen
nicht mehr zur Befriedigung der Neugier auf exotische Orte und
zur topographischen Vergewisserung benutzt, sondern als Mittel
zur Dokumentation historischer Ereignisse. Schlachten- und Kreuzigungsdarstellungen
waren die häufigsten Sujets. Im Zentrum des Interesses stand
die Absicht, einen bestimmen historischen Augenblick exakt zu
dokumentieren. Die Maße der Gebäude und Leinwände
wurden nun vereinheitlicht. Panoramagesellschaften gaben Panoramen
in Auftrag und vermarkteten sie. Die vier Tonnen schweren Leinwände
wurden auf Tournee geschickt, so daß das Publikum innerhalb
kurzer Zeit verschiedene Inszenierungen zu sehen bekam. Anfang
des 20. Jahrhunderts gingen Erfolg und finanzieller Ertrag der
Panoramen rapide zurück. Die meisten Leinwände waren
durch die vielen Reisen stark beschädigt, viele der Rotunden
brannten ab oder wurden für andere Zwecke umgebaut, so daß
heute nur noch wenige Panoramen im Originalzustand erhalten sind.
Seit 1960 ist ungefähr ein Dutzend neuer Panoramen eröffnet
worden, die meisten in Ländern mit nationalistischen Neigungen
und ohne Panorama-Tradition. Zu den Ausnahmen gehören die
1995 von Yadegar Asisi entworfenen und in Berlin aufgestellten
'Stern-Rotunden'. Asisi nutzte den dokumentarischen Zug des Mediums,
um die 'Hauptstadtplanungen' für ein größeres
Publikum sinnlich erfahrbar werden zu lassen. Die Panoramaentwürfe
von Asisi können aber nicht als Fortführung der Panoramatradition
zu betrachtet werden. Vielmehr manifestiert sich in ihnen die
Übertragung von Rezeptionsstrukturen, die aus technischen
Entwicklungen des 20. Jahrhunderts hervorgingen, auf ein daraufhin
wiederentdecktes Medium. Hermetische Illusionsräume wie
beispielsweise der Cyberspace ermöglichen dem Betrachter
des 20. Jahrhunderts ein körperliches Verhältnis zum
Präsentierten in ganz ähnlicher Weise, wie das die
Panoramen den Betrachtern des 19. Jahrhunderts boten.
3 Breysig, zit. nach: Buddemeier,
1970, S. 16f.
4 Vgl. Giersch,
1993, S. 101f.
Giersch zieht, dies als Ausblick auf Kap. IV, eine Parallele
zum Medium Holographie, das in ähnlicher Weise für
eine weltanschauliche Bewußtseinsveränderung stehe:
"Transportierte das Panorama das Versprechen auf All-Ansicht
im dreidimensionalen Raum, so transzendiert die Holographie die
gewohnten Raum-Zeit-Koordinaten: als ein Para-Medium eröffnet
sie den Zugang zu Welten, die sich jenseits der herkömmlichen
Wahrnehmungsgrenzen erstrecken." (Giersch, 1993, S. 102)