VI.2. Lebensläufe
Giorgione
1477/78 Giorgio, später Giorgione genannt, wird in Castelfranco
geboren. Die genaue Datierung seines Geburtsjahres ist nicht möglich.
Laut Vasari ist Giorgione von niederer Herkunft. Möglicherweise ist
er Jude.
um 1450 kommt Giorgione nach Venedig, wo er erzogen wird und in seinen
Anfängen unter Giovanni Bellini arbeitet. In seiner Jugend malt er
hauptsächlich Madonnenbilder und "Bildnisse nach der Natur."
179
1504 erhält Giorgione den Auftrag, das neu erbaute Tuchgewölbe
der Deutschen ('Fondaco dei Tedeschi') auf dem Ponte del Rialto mit Fresken
auszumalen.
1507 Beginn der Zusammenarbeit mit Tizian. Vasari beschreibt das Jahr
als 'Beginn der neuen Manier' Giorgiones.
1508/10 vermutlich - die Quellenlage ist dürftig - entstand in
diesem Zeitraum die 'Schlummernde Venus'.
1510/11 erkranken zuerst Giorgiones Geliebte und dann er selbst an der
Pest, Giorgione stirbt "im vierunddreissigsten Jahre seines Alters"
180 in Venedig.
'Schlummernde Venus'
1508/1510
108 x 175
Öl auf Leinwand
Dresden, Gemäldegalerie
Nach Pignatti 181 ist die Entstehungszeit der Venus
kurz nach den Fresken des 'Fondaco dei Tedeschi' anzunehmen.
Die erste Erwähnung des Gemäldes durch Marc Antonio Michiel in
den 'Notizia' 182 geht auf das Jahr 1525 zurück,
in dem Michiel es in der C
Marcello, dem Haus des Gerolamo Marcello,
gesehen hat: "Das Bild mit der nackten Venus, die in einer Landschaft
schläft, mit Cupido, war von der Hand des Zorzo da Castelfranco, aber
die Landschaft und der Cupido wurden von Tizian vollendet." 183
Das Gemälde wurde 1697 von dem Händler Le Roy für die Galerie
in Dresden erworben.
Im 18. Jahrhundert übermalt, wurden 1843 von dem Restaurator Schirmer
die Reste eines Cupido im rechten Teil des Bildes entdeckt, wegen des schlechten
Zustands aber erneut übermalt.
Das Werk wurde mehrmals Giorgione wie Tizian zu- und wieder abgesprochen.
Kunsthistorischen Untersuchungen (Pignatti, 1979, S. 115) zufolge ist es
wahrscheinlich, daß Kissen und Laken, sowie der übermalte Cupido,
nicht von Giorgione selbst sondern von Tizian nach dessen Tod gemalt wurden.
Andere Stimmen sagen, die Landschaft stamme von Tizian, wofür das
für ihn typische Blau der Berge am Horizont spräche. Inzwischen
gilt die Autorschaft Giorgiones als gesichert; nach wie vor unklar ist,
ob und welche Teile des Bildes von Tizian vollendet wurden.
Jean-Auguste-Dominique Ingres
1780 am 29. August wird Ingres als erstes von sieben Kindern in Montauban
geboren. Sein Vater, Jean-Marie-Joseph Ingres, arbeitet unter anderem als
dekorativer Bildhauer. Schon früh wird Ingres von seinem Vater im
Zeichnen und im Violinspiel unterrichtet.
1791 Ingres besucht als Schüler des Bildhauers J.-P. Vigan und
des Malers G.-J. Roques die Akademie von Toulouse.
1797 fährt Ingres nach Paris, wo er in das Atelier Davids aufgenommen
wird.
1799 wird Ingres zu den von David selbst gehaltenen Malereikursen an
der École des Béaux-Arts zugelassen.
1806 Verlobung mit der Malerin und Musikerin Julie Forestier, die er
ein Jahr später wieder löst. Stipendiaten-Aufenthalt in Florenz
und Rom.
1813 Heirat mit der Modistin Madeleine Chapelle
1814 'Die große Odaliske'
1820 Übersiedelung nach Florenz.
1824 Übersiedelung nach Paris. Gemeinsame Ausstellung mit Delacroix
im 'Salon'.
1825 Karl X. verleiht Ingres das Kreuz der Ehrenlegion. Er wird als
Nachfolger von Vivant Denon zum ordentlichen Mitglied der Akademie ernannt.
Ingres beginnt, Schüler in sein Atelier aufzunehmen.
1829 Ernennung zum Professor an der École des Béaux-Arts.
1834 kandidiert Ingres für das Amt des Direktors der Akademie Française.
Das Amt wird ihm übertragen und er reist mit seiner Frau und einem
seiner Schüler, G. Lefrançois, nach Rom.
1841 Rückkehr nach Paris.
1849 Vizepräsidentenschaft für die École des Béaux-Arts.
Ingres' Frau stirbt nach längerer Krankheit.
1850 wird Ingres Präsident der École des Beaux-Arts. Ständige
Reisen.
1852 Heirat mit Delphine Ramel.
1856 Delacroix wird in die Akademie des Beaux-Arts aufgenommen. Ingres
ist empört: "Aujourd'hui je veux rompre avec mon siècle,
tant je le trouve ignorant, stupide et brutal." 184
1867 stirbt Ingres am 14. Januar an einer Lungenentzündung. Er
wird auf dem Friedhof Père-Lachaise am 17. Januar beerdigt.
1869 wird das 'Musée Ingres' in Montauban eröffnet.
'Die große Odaliske'
1814
91 x 162
Öl auf Leinwand
Paris, Louvre
Die 'Große Odaliske' entstand 1814 im Auftrag von Carolina Murat,
der damaligen Königin von Neapel. Sie war als Pendant der vermutlich
1808 entstandenen 'Schlafenden von Neapel' gedacht, die 1815 beim Zusammenbruch
des napoleonischen Reiches zerstört wurde.
Bedingt durch die politischen Wirrnisse kam es nicht mehr zur Übergabe
der 'Odaliske' an ihre Auftraggeberin. 1819 wurde sie von einem Kammerherrn
des preussischen Königs gekauft.
Die 'Odaliske' wurde dreimal im 'Salon' ausgestellt - 1819, 1846 und 1855
- und aufgrund der 'gezwungenen Gestaltung des Körpers' hauptsächlich
negativ beurteilt.
Nach mehreren Besitzwechseln wurde die 'Große Odaliske' 1899 vom
Louvre erstanden.
Es existieren drei weitere Fassungen der 'Großen Odaliske'. Es handelt
sich um Repliken des ursprünglichen Bildes - es gehörte zur Arbeitsweise
Ingres', ein einmal gefundenes Motiv zu wiederholen. Es gibt zwei kleinere
Repliken, eine 6 x 10,7 cm groß, die andere 10 x 19 cm, und eine
größere Grisaille, 109 x 82 cm. Dazu existieren noch drei Kopfrepliken,
von denen eine nach links gewandt ist.
Edouard Manet
1832 Edouard Manet wird am 23. Januar in Paris geboren. Sein Vater war
Personalchef des Justizministeriums, seine Mutter war Tochter eines französischen
Diplomaten in Stockholm.
1839-45 Besuch des Collège Rollin, erste Zeichenkurse.
1848 Zur Vorbereitung auf den Beruf des Marineoffiziers verdingt sich
Manet auf einem Frachtschiff.
1849 Manet tritt zu den Aufnahmeprüfungen für die Marineakademie
an, die er nicht besteht. Er beschließt, sich von nun an der Malerei
zu widmen und tritt in das Atelier von Thomas Couture ein. Dort bleibt
er für sechs Jahre.
1852 Geburt des illegitimen Sohnes Léon Koëlla Lehnhoff.
1853 Reise nach Italien, wo Manets Hauptinteresse Florenz gilt.
1856 Manet verläßt das Atelier Coutures nach längeren
Streitigkeiten und gründet ein eigenes in der Rue Lavoisier. Er unternimmt
mehrere Reisen nach Den Haag und Amsterdam, Dresden und München, Wien
und erneut nach Florenz, Rom und Venedig.
1861 nimmt der 'Salon' den 'Spanischen Gitarristen' an.
1862 lernt Edouard Manet Victorine-Louise Meurent kennen, die sich ihm
als Modell zur Verfügung stellt.
1863 Entstehungsjahr der 'Olympia'. Die Werke 'Junger Mann im Majokostüm',
'Victorine im Torerokostüm' und das 'Frühstück im Freien'
werden vom 'Salon' zurückgewiesen. Das 'Frühstück im Freien'
wird im 'Salon des Refusés' ausgestellt und provoziert einen Skandal.
Er heiratet die Mutter seines Sohnes, Suzanne Lehnhoff.
1864 Manet hält es nicht für opportun, die 'Olympia' dem 'Salon'
anzubieten, stattdessen werden die 'Corrida' und der 'Tote Christus mit
zwei Engeln' ausgestellt.
1865 Die 'Olympia' wird zusammen mit der 'Verspottung Christi' im 'Salon'
ausgestellt und ruft einen neuerlichen Skandal hervor.
1867 Manets Gemälde werden von der Kunstabteilung der Weltausstellung
zurückgewiesen. Auch im 'Salon' stellt er nicht aus. Stattdessen organisiert
er eine eigene Ausstellung, die von Publikum und Kritikern negativ beurteilt
wird.
1870 Ausstellung im 'Salon'. Im September muß Manet aufgrund des
Deutsch-Französischen Krieges als Leutnant der Nationalgarde einrücken.
1871 Rückkehr nach Paris.
1873 Ausstellung im 'Salon'.
1874 Ausstellung im 'Salon', es wird nur ein Teil der eingereichten
Gemälde angenommen.
1875 Ausstellung im 'Salon'.
1876 Der 'Salon' weist die eingereichten Bilder zurück; daraufhin
organisiert Manet eine eigene Ausstellung.
1878 Manet reicht weder Bilder für die Exposition Universelle noch
für den Salon ein. Er stellt seine Werke im eigenen Atelier aus. Beginn
seiner Krankheit.
1880 Wieder Ausstellung im 'Salon'.
1883 Nach ständigem Fortschreiten seiner Krankheit stirbt Manet
am 30 April. Er wird am 3. Mai in Saint-Louis-d'Antin begraben.
'Olympia'
1863
130,5 x 190
Öl auf Leinwand
Paris, Musée d'Orsay
Wie schon zuvor für andere Werke Manets stand Victorine Meurent
auch für die 'Olympia' Modell. Dem Werk voraus ging eine Aquarellfassung,
die nur in wenigen Details von der endgültigen Fassung abweicht. Das
Bild selbst entstand in wenigen Tagen.
Als kunsthistorische Vorbilder gelten u.a. Tizians 'Venus von Urbino',
Goyas 'Nackte Maja' und Ingres' 'Odaliske mit Sklavin'.
Das Gemälde erhielt seinen Titel erst zehn Monate nach seiner Entstehung
durch die Verse eines Gedichts von Astruc (La fille des les).
Das Bild wurde 1865 zum ersten Mal im Salon ausgestellt und heftig kritisiert.
Erst nach dem Tod Manets wurde das Bild zum Verkauf angeboten, erschien
allerdings 1889 unverkauft auf der 'Exposition Universelle' im Palais des
Béaux Arts. Um den Verkauf an einen amerikanischen Interessenten
zu verhindern, organisierten die Maler Sargent und Monet eine Sammlung,
um es dem Staat zu schenken. Der Louvre, für den sie das Bild bestimmten,
lehnte die Aufnahme zunächst ab, und ein Kabinettsbeschluß bestimmte
die 'Olympia' für das Musée du Luxembourg. 1907 kam es auf
Anordnung von Clemençeau als Pendant zur 'Großen Odaliske'
Ingres' in den Louvre. Heute hängt die 'Olympia' im Musée d'Orsay.
Amadeo Modigliani
1884 Amadeo Modigliani wird am 12. Juli als viertes Kind des Kaufmanns
Flaminio und seiner Ehefrau Eugenia Garsin in Livorno geboren. Beide Elternteile
entstammen dem gehobenen Judentum.
1897 bekommt Modigliani den ersten Zeichenunterricht.
1901 reist Amadeo mit seiner Mutter nach Neapel, Rom und Florenz.
1902 Besuch der 'Scuola libera di Nudo' in Florenz,
1903 schreibt sich Modigliani am königlichen Institut für
schöne Künste in Venedig für freies Aktzeichnen ein.
1906 Übersiedelung nach Paris.
1908 erste Ausstellung im 'Salon des Indépendants'.
1910 erneute Teilnahme am 'Salon des Indépendants' mit sechs
Bildern.
1912 Teilnahme am 'Salon D'Automne' mit zehn Steinskulpturen.
1916 Bekanntschaft mit Leopold Zborowski, der ein begeisterter Anhänger
Modiglianis wird.
1917 beginnt Modigliani mit der Gruppe der Aktfiguren. Er lernt seine
Lebensgefährtin Jeanne Hébuterne kennen und zieht mit ihr noch
im selben Jahr in eine gemeinsame Wohnung. Im Dezember findet die erste
persönliche Ausstellung in der Galerie B. Weill statt.
1918 Geburt der Tochter Jeanne in Nizza, wo sich die Familie wegen Modiglianis
schlechtem Gesundheitszustand aufhält.
1919 Rückkehr nach Paris.
1920 Modigliani stirbt am 24. Januar in der Charité; seine -
hochschwangere - Gefährtin Jeanne Hébuterne nimmt sich einen
Tag später das Leben.
1925 erste große Gedächtnisausstellung in der 'Galerie Bing',
Paris.
'Liegender Frauenakt auf weißem Kissen'
1917
60 x 92
Öl auf Leinwand
Stuttgart, Staatsgalerie
Das Bild ist Teil einer Serie von 1916 begonnenen Aktportraits, die
alle in einer relativ kurzen Zeitspanne gemalt wurden. Sie unterscheiden
sich grundsätzlich von den früheren, wesentlich stärker
formalisierten Karyatiden.
Der 'Liegende Frauenakt auf weißem Kissen' war zunächst im Besitz
von Leopold Zborowski, später Teil der Sammlung Henri Bing, Paris.
Über die Sammlungen Emil Bührle in Zürich und Ragnar Moltzau
in Oslo gelangte das Bild in den Besitz der 'Galerie des Arts Ancien et
Modernes' in Schaan (Liechtenstein), von der es die Staatsgalerie Stuttgart
im Dezember 1959 erwarb.
Um 1919 entstand eine zweite Serie von Akten, die weniger stark konturiert
sind und die im Verhältnis zu der 1916/17 entstandenen Serie einen
leichteren und flüchtigeren Farbauftrag aufweisen.