Quantenphänomene und Bohms Quantenpotential
Quantenphänomene werden von verschiedenen Denkschulen
unterschiedlich beurteilt. Die lange Zeit unter Physikern populärere
Betrachtungsweise, die 'Kopenhagener Schule', basiert auf den
Annahmen Nils Bohrs. Man müsse, meint diese Partei, das
Verständnis der Photonen und aller anderen Elementarteilchen
grundlegend verändern. Es mache keinen Sinn, von Photonenbahnen
zu sprechen, sondern als Photon sei das anzusehen, was man als
Überlagerung aller möglichen Bahnen beschreiben kann.
Der Überlagerungszustand ersetzt in diesem Denkmodell das
aus der klassischen Physik vertraute Bahnkonzept.
David Bohm deutet Quantenphänomene anders und, wie Zajonc
meint, traditioneller, denn er beharrt auf Bahnen und realen
Weggeschichten. Bohm erklärt die paradoxen Eigenschaften
der Quanten, indem er eine neue Größe jenseits der
traditionellen Welt der Teilchen (Elektronen und Quarks) und
Felder (Gravitation, Elektromagnetismus) einführte: das
Quantenpotential. Dieses, meinte Bohm, lenke die Bahn der Photonen.
Es wirke nicht direkt auf Objekte ein, sondern liefere ihren
Bewegungen die notwendigen Informationen; es übe keine Kraft
aus und sei mit physikalischen Mitteln nicht direkt zu entdecken.
Hauptmerkmal des Quantenpotentials ist die Nichtlokalität.
Es gibt also zwei Möglichkeiten: "Entweder man versteht
das Photon als nichtklassisches Quantenobjekt und verzichtet
damit auf alle sinnvollen Aussagen über seine Geschichte,
oder man bevölkert den Raum wie Bohm ... mit einem neuen
quantenmechanischen, nichtlokalen Äther. Nach der einen
Auffassung [der von Bohm] befindet sich der quantenmechanische
Wirklichkeitscharakter in einem verborgenen Medium ..., nach
der anderen ist er in das Photon selbst integriert... Die eine
Auffassung gibt die Geschichte zugunsten einer 'Quantenrealität'
auf, die andere schlägt eine neue 'implizite Ordnung' vor,
wie Bohm sie nennt, von der unsere Wirklichkeit nur eine partielle
Projektion ist."1
Als David Bohm seine Laufbahn begann, befand er sich im Einklang
mit der Bohrschen Denkschule. Nils Bohr hatte postuliert, daß
es sinnlos sei, von den Eigenschaften und Merkmalen eines Teilchens
zu sprechen, die angeblich vor der Beobachtung existierten, wenn
dieses Teilchen erst bei der Anwesenheit eines Beobachters existent
wird. Einstein empfand Bohrs Schlußfolgerung, daß
Teilcheneigenschaften nicht existieren, bevor sie beobachtet
werden, als besonders fragwürdig, denn das impliziert, daß
subatomare Teilchen in einer Weise ineinander verwoben sind,
die Einstein nicht für möglich hielt. Schlußendlich
liefe diese Art des Verwobenseins auf eine Überwindung der
Zeitbarriere hinaus. Bohr mußte sich also nach Einsteins
Meinung im Irrtum befinden.
David Bohm begann in den vierziger Jahren in Berkeley mit Plasmaforschungen.
Plasma ist ein Gas, das eine hohe Dichte von Elektronen und positiven
Ionen aufweist. Bohm stellte fest, daß die Elektronen,
sobald sie sich im Plasma befanden, aufhörten, sich wie
Individuen zu verhalten. Sie benahmen sich, als seien sie Teil
eines in sich verwobenen Ganzen. Bohm fand heraus, daß
die scheinbar willkürlichen Bewegungen einzelner Elektronen
eine hochorganisierte Gesamtwirkung zu zeitigen vermochten, fast
so, als handele es sich um einen lebendigen Organismus. Bohm
bezeichnete diese Kollektivbewegungen als Plasmonen.
Die Annahme eines Quantenpotentials lieferte Bohm eine Erklärung
für die Kollektivbewegungen der Plasmen. Bohm stellte die
These auf, das Quantenpotential bilde eine tiefere Realitätsebene
unterhalb der Quanten, es durchdringe - wie die Schwerkraft -
den gesamten Weltraum, doch nehme sein Einfluß im Unterschied
zu Schwerkraftfeldern nicht mit der Entfernung ab.
Das Quantenpotential wies Merkmale auf, die Bohm eine radikale
Abkehr vom orthodoxen naturwissenschaftlichen Denken nahelegten.
Die geschlossene Quantenaktivität steht nach Bohm der organisierten
Funktionseinheit eines Lebewesens näher als jener Geschlossenheit,
die durch den Zusammenbau der Teile einer Maschine zustandekommt.
Die klassische Naturwissenschaft hatte den Zustand eines Systems
als das Ergebnis der Wechselwirkung seiner Teile aufgefaßt.
Aus dem Quantenpotential ging hervor, daß das Verhalten
der Teile vom Ganzen organisiert wurde. Das erklärte, warum
sich Elektronen in Plasmen wie miteinander vernetzte Ganzheiten
verhalten.
Aus Bohms Interpretation der Quantenphysik ergibt sich, daß
die Örtlichkeit auf der Ebene unterhalb der Quanten aufhört
zu existieren. "Alle Punkte im Raum werden allen anderen
Punkten im Raum gleich, und man kann somit nicht mehr davon sprechen,
daß irgend etwas von etwas anderem getrennt oder unabhängig
ist."2 Diese Annahme hatten schon Experimente
mit Zwillingsteilchen nahegelegt, die auf unerklärliche
Weise über lange Strecken miteinander in Verbindung zu stehen
schienen. Bohms Bild der Realität entspricht nicht mehr
einem Zustand, in dem subatomare Teilchen unabhängig voneinander
durch die Leere des Alls schießen, sondern einem, in dem
alle Dinge Bestandteile eines zusammenhängenden Netzes und
in einen Raum eingebettet sind, der so real und vielfältig
ist wie die Materie, die sich durch ihn hindurchbewegt. Das Behälter/Materie
Verhältnis von Raum und Objekten verlor für Bohm seine
Gültigkeit.